Hoch die Fahnen: The Banner Saga

Viel Streit und eine dunkle Bedrohung aus dem Norden. Nein, wir reden nicht von Game of Thrones!

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Wir befinden uns in einem rauen Zeitalter. Das politische Gefüge ist fragil und brüchig, Ungeheuer wurden gesichtet und aus dem Norden droht eine scheinbar unaufhaltsame Gefahr. Nein, es geht ausnahmsweise nicht um Game of Thrones, sondern um das erfrischende Indie-Spiel The Banner Saga.

Aufgefallen ist mir der Titel erstmals irgendwann auf einem Steam-Streifzug wegen seiner wunderschönen Optik. Damals hat mich aber die rundenbasierte Kampfmechanik abgeschreckt. Einen Summer-Sale und ein plötzliches, unerklärliches Interesse an Rundenstrategie später, habe ich meine Vikinger-Horden hinter mächtigen Flaggen quer über den fiktiven Kontinent gescheucht und was ich dabei erlebt habe, möchte ich mit euch teilen.

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Die Karawane zieht an einem Götterstein vorbei.

Bei den Göttern!

In The Banner Saga erleben wir die Geschichte – oder viel mehr den ersten Teil einer Geschichte – eines ganzen Kontinents aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Welt, die Mythologie, aber auch die optische Verwirklichung, erinnern dabei stark an alte nordische Sagen. Das Land wird von Menschen und den riesigen gehörnten Varl bewohnt, die friedlich zusammenleben, wenn es auch immer wieder kleinere Reibereien gibt. Zur besseren Orientierung ragen auf dem ganzen Kontinent sogenannte Göttersteine über die Landschaft. Mächtige Monumente, die Wandernden wie Meilensteine den Weg zeigen und zur Verehrung der Götter dienen. Das ist in jener Zeit, in der wir in die Handlung einsteigen, allerdings obsolet, denn die Götter sind alle gestorben oder verschwunden. Als wäre das Verschwinden der Götter nicht schon trist genug, hat außerdem die Sonne aus unerklärlichen Gründen aufgehört, sich zu bewegen und die ganze Welt in ein deprimierendes Zwielicht getaucht. Erscheinen uns zu Beginn viele Gegebenheiten noch fremdartig, werden wir mit zunehmenden Spielverlauf immer mehr zu richtigen Bewohnern und Kennern dieser zerrissenen Welt.

Ein Point and Click Bilderbuch

Im ersten Handlungsstrang begleiten wir den alten Varl Ubin. Ubin war einst ein angesehener Krieger, zieht nun aber als Steuereintreiber durch die Lande. Ubin ist außerdem Hobby-Historiker, der sich größte Mühe gibt, aktuelle Geschehnisse für die Nachwelt festzuhalten. Mit ihm lernen wir schnell die unterschiedlichen Grundzüge der Spielmechanik, die sich grob in zwei Teile gliedern lassen. Im einen Teil sehen wir unsere Figuren in wunderschön gezeichneten 2D-Bildern, wo wir mit ihnen in bester Point and Click-Manier in Textfeldern Entscheidungen treffen müssen, die oftmals unvorhersehbare und schwerwiegende Auswirkungen haben. In diesem Teil des Spiels beobachten wir unter anderem unsere Karawane, wie sie durch die schönen Landschaften reist. Dabei müssen wir darauf achten, dass genügend Rationen vorhanden sind, die Moral nicht zu weit sinkt und zu den richtigen Zeitpunkten Pausen eingelegt werden. Auch hier gilt es als Anführer wichtige Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise treffen wir auf eine Gruppe Vogelfreier, die sich uns anschließen will. Nehmen wir die Halunken mit oder überlassen wir sie ihrem Schicksal? Die Konsequenzen sind oft kaum vorherzusehen und die Auswirkungen machen sich teilweise erst recht spät bemerkbar. All diese Ereignisse werden uns etwas schmucklos in Textfeldern oder simplen und kaum animierten Dialogsequenzen präsentiert. Wirklich stören tut das aber nicht, da die restliche Optik so verzückend ist, dass man dem Spiel einfach nicht böse sein kann.

 

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Auf solchen Stadt-Bildschirmen besuchen wir Schlüsselorte.

Schachbrett-Strategie

Der zweite entscheidende Part sind die Kämpfe, die The Banner Saga aus der Vogelperspektive inszeniert und in denen wir mit unseren Helden auf einem Schachbrett rundenbasiert auf die Gegner einkloppen. Jede Figur hat neben verschiedenen Spezialfähigkeiten dabei fünf verschiedene Werte, die gut ausbalanciert nahezu gleichermaßen wichtig am Schlachtfeld sind, was das Aufleveln zu einer spannenden Herausforderung macht. Will ich lieber mehr Spezialfähigkeiten einsetzen, meinen Schild- oder meinen Stärke-Wert aufleveln? Clever ist auch, dass uns das Aufleveln eben jene Punkte kostet, die wir für Moral der Karawane und das Kaufen von Rationen brauchen. Wollen wir mehr Rationen oder stärkere Kämpferinnen und Kämpfer? Diese Entscheidungen sind enger verknüpft, als man meinen würde. Verletzen sich etwa unsere Haudegen, müssen wir (zumindest auf höheren Schwierigkeitsgraden) mit unserer Karawane länger rasten, was sich negativ auf unsere Rationen auswirkt. Dadurch vermischen sich die beiden ansonsten stark unterschiedlichen Teile der Spielmechanik und machen The Banner Saga zu einem glaubwürdigen und intensivem ganzen Spielerlebnis.

Flieht, ihr Narren!

Neben Ubin schlüpfen wir in die Rolle des Jägers Rook, der mit seiner Tochter Alette bei der Jagd auf mächtige Steinwesen trifft, die plötzlich überall auftauchen und das ganze Land zu überrennen scheinen. Diese sogenannten Dredge zwingen Rooks gesamtes Dorf zur Völkerwanderung. Rook wird schnell zum neuen Anführer, der den Stamm retten soll. Die Spielmechanik unterscheidet sich hierbei nicht von den Kapiteln mit Ubin. Wir wandern mit der Karawane hinter dem Banner her, hoffen, dass die Rationen halten und kämpfen gegen die Steinviecher. Auch hier gibt es selten gut und böse, oft sind die Dinge nicht, wie sie scheinen und wir stehen meist vor der Entscheidung ein Übel oder ein Anderes zu wählen. Ich fand in diesen Abschnitten vor allem jene Entscheidungen spannend, in denen man versuchen kann, an der patriarchalen Gesellschaftsordnung zu rütteln. Kurz erleben wir die Ereignisse auch aus der Perspektive der Magierin Juno, die eine finstere Bedrohung vorhersieht. Das dürfte allerdings eine Weissagung für Teil 2 und 3 sein, denn The Banner Saga ist als Trilogie geplant und der erste Teil endet recht abrupt und gerade, wenn es am schönsten ist.

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Unterstützen wir die starken Frauen des Clans oder lieber die Männer, die die Frauen nicht am Schlachtfeld sehen wollen?

Erzähltechnisch amüsant ist, dass wir als Spielerinnen und Spieler so verschiedene Blickwinkel sehen und später entscheiden müssen, ob unser Wissen unsere Entscheidungen beeinflusst. Beispielsweise erleben wir in einem Kapitel, wie zwei Figuren sich in einer Stadt verabreden. Später sind wir mit einer der Figuren und ihrer Karawane in eben jener Stadt. Es kommt zum Streit. Die Karawane sollte vernünftigerweise aufbrechen, um Rationen und Zeit zu sparen, doch der erwähnte Charakter würde lieber warten, weil er ja in der Stadt verabredet ist. Es liegt nun an uns, die ganze Karawane für seine Verabredung zu gefährden. Noch spannender wird es, als die Verabredung auch am nächsten Tag noch nicht aufgetaucht ist. Wollen wir noch einen weiteren Tag warten? Was für Konsequenzen hätte ein Aufbruch? Verlieren wir dadurch einen starken Charakter, weil er zurückbleibt oder gewinnen wir durch tapferes Abwarten womöglich einen weiteren Helden? Und was, wenn die Verabredung auch nach zwei Tagen noch gar nicht auftaucht?

Hoch die Fahnen!

Wer meinen Reisebericht in die düstere Welt von The Evil Within gelesen hat, dürfte bereits mitbekommen haben, dass mich bei Spielen (und Filmen) immer auch die optische Komponente und das Design unglaublich faszinieren. Es muss nicht Hochglanz-Optik à la Witcher 3 sein (wobei ich da natürlich auch nichts dagegen habe!), denn auch minimalistisches Design kann vollends überzeugen, wie der aktuelle Back-to-Pixels-Boom mit Titeln von Fez bis Eitr zeigt. Optisch schlägt The Banner Saga in eine Kerbe, die mich sofort fesselt. Die zauberhafte Welt sieht aus, als ob Disney eine Zeichentrick-Umsetzung von Game of Thrones gemacht hätte, die Spielmechanik ist verständlich und doch fordernd sowie komplex und die Geschichte ist vielschichtig und erwachsen. Man merkt dem Titel an, dass die Schöpfer sich zuvor bei Bioware schon intensiv mit dem Erzählen guter Geschichten befasst haben. Als verwöhnter Triple-A-Spieler haben mich zu Beginn die simplen Texteinblendungen irritiert, in denen die Geschichte voran getrieben wird und die Banner Saga zu einer Art interaktivem Bilderbuch mit Schachbrett-Kämpfen machen, aber nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, konnte ich diese wundervolle Welt kaum mehr verlassen und es bleibt der größte Kritikpunkt die Wartezeit auf die Fortsetzung! Unbedingt erwähnt werden muss auch der Soundtrack von Austin Wintory (Journey), der dem Fantasy-Reich erst den richtigen Endschliff verpasst. Wer gelegentlich auf Youtube unterwegs ist, dürfte sich außerdem freuen, Namen wie Malukah, Peter Hollens, Johann Sigurdarson und Taylor Davis am Soundtrack zu finden.

Wer über die minimalistische Erzählweise hinwegsehen kann, packende Rundenstrategie und zauberhafte Zeichentrickgrafik mag und ein Herz für Low Fantasy hat, sollte das Banner zücken und die Reise auf sich nehmen. Selten hat mich ein Spiel so in seinen Bann gezogen!

The Banner Saga
Plattform: Windows, OS X, Linux, PS4, PS Vita, iOS, Android
Entwickler: Stoic
Publisher: Versus Evil
Bereits erschienen (14.1. 2015)

The Banner Saga Trailer
The Banner Saga 2 Announcement Trailer
The Banner Saga Homepage

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