Spätestens seit seinem internationalen Durchbruch Drive ist Nicolas Winding Refn nicht mehr aus der internationalen Filmszene wegzudenken und spaltet auch die Lager. Love it or Hate it, heißt es dabei für viele. Auch sein 2013 erschienener Film Only God Forgives war für viele schon zu viel der Gewalt und der Anspannung, für mich allerdings war dies einer der besten Filme der letzten Jahre, nicht nur wegen des ethisch durchaus interessanten Materials, sondern auch aufgrund der Musik, dem reduzierten Drehbuch und der herausragenden Bildgestaltung.
The Neon Demon ist nun Winding Refns neuestes Werk, das ebenso eine Spaltung bei Kritik und Publikum hervorbringen wird, dies ist schon einmal eine Gewissheit, auf die man setzen kann. Ist das etwa, weil der dänische Regisseur noch einmal dieselbe Show abzieht, wie bei seinem Vorgängerfilm und daher nur seine Fans erreicht, wie böse Zungen vielleicht behaupten mögen? Ganz und gar nicht, denn obwohl der Film in visueller Hinsicht definitiv an seine Vorgänger anknüpft, ist er in Sachen Story und Ausführung komplett anders. Auch wenn die Welt der Mode und Schönheit schon oft kritisch in Film und Fernsehen gezeigt wurde (man denke allen voran an Ryan Murphys großartige Serie Nip/Tuck), kann man bei The Neon Demon sicher sein, dass man dieses krankhafte und konsumistische Universum noch nie so gesehen hat wie in diesem Film. Ich möchte an diesem Punkt allerdings nicht zu viel verraten, außer, dass hier nichts so ist, wie es scheint und unter der oberflächlichen Fassade aus Mode und aufgesetztem Lächeln ein Blick in die dunkle Seele der Menschheit lauert, wie nur Nicolas Winding Refn es versteht, sie darzustellen.
Elle Fanning ist hinreißend in der Hauptrolle und gibt hier die wahrscheinlich bis dato beste Darbietung ihrer bisherigen Karriere. Auch Jena Malone ist faszinierend mysteriös in ihrer Rolle als Make-up Designerin mit Ambitionen, ebenso wie Keanu Reeves, der mit seinem zurückhaltenden Stil perfekt zu Winding Refns Zugang zu Schauspiel passt. Auch der restliche Cast ist durch Desmond Harrington oder z.B. Abbey Lee und Christina Hendricks wunderbar abgerundet. Zwei weitere Stars, die bei einem Film dieses Regisseurs allerdings nicht fehlen dürfen, können sich auch diesmal sehen und hören lassen.
Denn auf visueller und akustischer Ebene ist der Film eine weitere Meisterleistung, die ein enormes Level an Anspannung verursacht. Kein Popcornfilm zum Ausklingen der Arbeitswoche oder zum Kuscheln am Sofa, denn The Neon Demon ist anstrengend anzusehen und dies ist eine mutige und wichtige Entscheidung. Themen, die an der fragilen Haut unserer ach so sicheren Gesellschaft kratzen, müssen wehtun, dürfen nicht leicht konsumierbar sein. Wenn Kritik an der Konsumgesellschaft auch selber leicht konsumierbar ist, kann das Argument sich schnell selbst entkräften. Dies passiert im Falle von The Neon Demon glücklicherweise nicht und das Resultat ist ein Film, bei dem man den Kinosaal definitiv in einer komplett anderen Stimmung als vorher verlässt. Einen wesentlichen Beitrag leistet dazu auch die großartige Musik des Komponisten Cliff Martinez und schon vom Main Title her erzeugt Martinez die richtige Stimmung, die einen bis nach dem Abspann nicht mehr loslässt. The Neon Demon ist damit nicht nur einer der fesselndsten, sondern auch einer der besten Filme des Jahres 2016, wenn nicht sogar des Jahrzehnts.
The Neon Demon
Regie: Nicolas Winding Refn
Buch: Nicolas Winding Refn
Cast: Elle Fanning, Jena Malone, Keanu Reeves, Christina Hendricks
Musik: Cliff Martinez
Länge: 117 Minuten, Kinostart: 23. Juni 2016