Mother! – Kafkaeske Mutterschaft

Darren Aronofskys neuester Film, Mother!, ist nun bei uns in den Kinos, und als Flop gehandelt. Lag es am Marketing, welches einen Horrorfilm versprach, oder sind die Themen des Filmes doch zu oberflächlich und prätentiös? Wir verraten euch, warum man über diesen Film lange diskuttieren kann.

Ein Pärchen mit erheblichem Altersunterschied zieht in ein abgeschiedenes Haus fernab von jeglicher Zivilisation. Während Er (Javier Bardem), ein Dichter, mit einer Schaffungskrise zu kämpfen hat, versucht Sie (Jennifer Lawrence) das Haus herzurichten. Es soll ihr Paradies werden. Doch als eines nachts ein Fremder (Ed Harris) vor der Tür steht, fängt der Haussegen an schief zu hängen. Später tauchen auch seine Frau (Michelle Pfeifer) und deren Söhne auf, und immer mehr Fremde tummeln sich im Haus. Die Kontrolle über ihr Leben und Eigenheim scheint zu entschlüpfen, und sogar das Haus fängt an zu bluten, während der Ehemann sich lieber für seine neuen Bekanntschaften interessiert.

Horror ohne Gore oder Jump Scares

Vom technischen Standpunkt her trägt der Film genau Aronofskys Handschrift. Die Kamera bleibt sehr nahe an der Hauptfigur, angeblich zeigen ungefähr 60 Minuten Lawrence’s Gesicht. Auf jeden Fall können wir sehr oft ihre Regungen beobachten. Sehr oft auch gibt es lange Einstellungen. Der Film ist aber weit von einem geradlinigen Erzählen entfernt, und ähnelt in dieser Hinsicht mehr Aronofky’s unterschätztem Film The Fountain.

Der Trailer hat einen Horrorfilm versprochen, jedoch jeden damit auf eine falsche Fährte gelockt. Vielmehr kann man den Film als ruhigen, (pseudo-historischen) Psychothriller sehen. Eine problematische Beziehung wird gezeigt, und die gesellschaftliche und familiäre Rolle der Frau wird aufgearbeitet. Die Kritik hierbei ist, dass sie sich für den Traum vom Eigenheim aufopfert, und wortwörtlich alles geben muss (Das Thema Mutterschaft ist über den ganzen Film hinweg zu finden), während er seiner Arbeit nachgehen kann. Hierbei kann man auch autobiographische Elemente aus Aronofskys eigenem Leben erkennen: Immerhin hat er vor 5 Jahren The Wolverine zu Gunsten von Zeit bei seiner Familie abgesagt.

Dass herkömmliche Horrortropes fehlen, heiß nicht, dass der Film ganz und gar kein Horrorfilm ist. Immerhin portraitiert er, wie die Selbstbestimmtheit über das eigene Leben langsam entschwindet und Andere/Fremde plötzlich alles kontrollieren und entscheiden. Und keine Gewalt mehr über sein eigenes Leben zu haben, ist eigentlich verdammt gruselig. Nicht umsonst gibt es im Film auch viele Referenzen auf Rosemary’s Baby.

Es ist ein kafkaeskes Werk, welches in den Spuren von David Lynchs Welten oder Luis Bunuels Der Würgeengel wandert.

Das nächste Segment enthält ein paar Spoiler, lest dann nach dem übernächsten Foto weiter

Das war so (nicht) in der Bibel

Die Hauptinterpretation des Filmes hat aber eher einen religiösen Touch: So verkörpert Lawrence Mutter Erde bzw. die Schöpfung selbst („die Mutter allen Lebens“), während Bardems Figur Gott ist. Ed Harris und Michelle Pfeiffer sind dann Adam und Eva, und ihre Söhne Kain und Abel, immerhin wird einer vom anderen getötet. Gott ist nur aufs Schaffen konzentriert, und ignoriert dabei die Schöpfung selbst. Die Religionskritik geht natürlich noch weiter, und zeigt, wie „die Worte Gottes“ Kriege auslösen und Kulte begründet. Und das alles in den vier Wänden eines abgelegenen Hauses. Für Aronofsky ist Gott ein Narzisst, der in seiner Schöpfung nur einen Spielplatz sieht. Ebenso ist alles ein ewiger Kreis, ohne dass sich je etwas ändert.

Man erlebt eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Gerade im letzten Akt wird man von der Bilderflut überwältigt, sodass man sogar anfangen kann zu lachen.

Fazit:  Die Bibel nach Kafka

„Mother!“ ist endlich wieder ein Film, über den man sich lange unterhalten kann. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen, und ich denke um ihn vollends zu verstehen muss er mehrmals gesehen werden. Polarisiert er? Ja sicherlich. Dennoch ist dieser Arthouse-Film um Mutterschaft sicherlich ein kleines Juwel, welches seinen Kultstatus noch erhalten wird.

Mother!

USA 2017
Protozoa Pictures, Paramount, Constantin Film
R & B: Darren Aronofsky
D: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Ed Harris, Michelle Pfeiffer
L: 121 min
FSK: 16
ET: 14.9.2017

More from Bernhard Mairitsch
Arrival – Turmbau zu Babylon 5
„There are days that define your story beyond your life, like the...
Read More
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert