Size doesn’t matter… or does it? Eine Frage, vor der sich auch Marvels Superhelden in ihren engen Anzügen nicht mehr drücken können und so darf der kleine Ant-Man ganz groß die Marvel Phase 3 einleiten.
Seien wir ehrlich: Am Grundgerüst eines Marvel-Blockbusters lässt sich nicht rütteln. Ein Comic-Held kämpft sich durch ebenso buntes wie belangloses Abenteuer, während dem Publikum eine gut abgewogene Mischung aus Witzchen, guten CGI und unspektakulären 3D-Effekten um die Ohren fliegt. Die Mischung funktioniert gut und früher waren Comic-Verfilmungen tatsächlich spektakuläre Ausnahmen im Kino-Alltag. Auch wenn es keiner zugeben will, aber damals fanden wir alle Sam Raimis Spider Man, gespielt von Bubi Tobey Maquire, ziemlich beeindruckend und was mich betrifft: I still cheer for Tom Jane als Punisher. Das war, bevor Marvel und später Disney daran gingen, sich einen Helden nach dem anderen (wohlgemerkt Helden, nicht Heldin, für eine weibliche Hauptrolle ist die Zeit wirklich noch nicht reif. Ich meine, wir haben schließlich erst 2015!) zu schnappen und durch den fast schon meditativ halbjährlichen Rhythmus in die Bedeutungslosigkeit zu schieben.
So furchtbar negativ ist das von meiner Seite eigentlich gar nicht gemeint, denn kurzfristig unterhalten uns diese Filme ja – sie sind nur auf Grund der optischen Einheit und des immer gleichen Aufbaus genau so schnell wieder vergessen. Die einzige erwähnenswerte Ausnahme ist Guardians of the Galaxy, der überraschend aus dem üblichen Muster gefallen ist und mit seinem bewusst trashigen Space-Opera-Charme Abwechslung in den Marvel-Kreislauf brachte. In einem Youtube-Kommentar hieß es einmal: „Of all the movies I have seen, Iron Man 3 is definitely one of them!“ Treffender kann man Disneys Marvel-Verfilmungen nicht beschreiben. Langer Rede kurzer Sinn: Hat Ant-Man irgendetwas, was ihn aus diesem Brei der Belanglosigkeiten im Marvel Cinematic Universe hervorheben kann?
Regie, Regie, Regie!
Die Anzeichen standen äußerst gut, sollte doch kein Geringerer als das britische Genie Edgar Wright die Regie von Ant-Man übernehmen. Wright hat neben der beliebten Cornetto-Trilogie, die nicht nur durch ihren Witz, ihre grandiosen Darsteller und ihre Coolness, sondern auch durch eine äußerst durchdachte Inszenierung überzeugt, mit Scott Pilgrim vs. The World eine absolute Vorzeige-Comic-Verfilmung geschaffen. Unabhängig davon, ob man die absurde Story mag oder nicht, ist es bisher keiner anderen mir bekannten Comic-Verfilmung gelungen, die beiden Merkmale der verschiedenen Medien so gezielt und erkennend abzubilden, auszunutzen, zu mischen und augenzwinkernd gegeneinander auszuspielen. Selbst Sin City erreicht diese Ebene der Transmedialität nicht, denn auch wenn es sich hierbei um eine äußerst akkurate und nahezu werktreue Umsetzung handelte, blieb es doch hauptsächlich bei der bloßen Nachahmung von Millers Graphic Novels, die die Möglichkeiten des Mediums Film – abgesehen von der Bewegung der Bilder – ein bisschen vernachlässigte.
Was Scott Pilgrim so brillant macht, ist ein anderes Thema, das an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde. Edgar Wright arbeitete angeblich seit 2006 an Ant-Man und die Hoffnung war groß, dass es Wright schaffen würde, den standardisierten Rahmen der Marvel-Verfilmungen zu durchbrechen. Kevin Feige, seines Zeichens als Produzent für zahlreiche Marvel-Verfilmungen verantwortlich, dürfte darin wohl eher einen Albtraum gesehen haben und so hieß es Mitte letzten Jahres von Wright, er habe das Projekt auf Grund von „unterschiedlichen Visionen bezüglich des Films“ verlassen. Das ist natürlich traurig für alle, die große Hoffnungen in das Projekt gehabt hätten, aber es beweist auch, dass Wright ordentlich Rückgrat hat. Er hätte schließlich auch ganz einfach wie sein einst brillanter Kollege Joss Whedon seine Seele verkaufen können. Jap, genau das habe ich gerade gesagt und das ist meine felsenfeste Meinung. Whedons Avengers ist eine gute Marvel-Verfilmung, die ihren Mehrwert aber nicht aus einer höheren Qualität, sondern schlicht einer höheren Quantität zieht und darüber hinaus ein Film geworden ist, der eines Joss Whedon völlig unwürdig ist. Der Mann hat sich bereitwillig in die Schablone pressen lassen, Wright ließ das nicht zu. Nachdem Wright den Regiestuhl geräumt hatte, übernahm ein gewisser Peyton Reed, zu dessen größten Errungenschaften drei Folgen New Girl zählen. Wright ist im Ant-Man Nachspann aber immerhin noch als Exec und beim Drehbuch gelistet und auch wenn ich nicht genau sagen kann, welche Impulse er dem Film letztendlich noch gegeben hat, meine ich zu meiner positiven Überraschung erkannt zu haben, dass in der Ameisen-Mann-Verfilmung viel von seiner Handschrift zu sehen ist.
Quoten-Mexikaner und Paul Rudd
Qualitativ sind die Marvel-Verfilmungen, seit Iron Man 1 die Phase One eingeleitet hat, auf einem ähnlichen Niveau. Es bleibt letztendlich an uns Rezipienten hängen, ob wir die Heldenfigur oder Konstellation und die Schauspieler und Schauspielerinnen mögen oder nicht. Nehmen wir Tony Stark: Eigentlich ist er eine unsympathische Krätze, aber dank der brillanten Umsetzung von Robert Downing Jr. ist die unsympathische und arrogante Version von Batman jetzt einer der beliebtesten Superhelden, die derzeit über die Leinwände fliegen. Ant-Man hat Glück. Mit Paul Rudd bekommt der schrullige Held eine äußerst amüsante, charmante und sympathische menschliche Hülle spendiert.
Bevor er jedoch zu Ant-Man wird, muss sich der Kleinganove mit Robin Hood Attitüde mit Gelegenheits-Einbrüchen über Wasser halten. In diesen Szenen bekommt der Film einen erfrischenden Heist-Movie Touch, der mit seinen Planungs-Montagen augenzwinkernd an die Größen des Genres erinnert – ohne dabei aber seinen Witz zu verlieren. Bei seinen Einbrüchen stehen ihm ein paar Kumpels zur Seite, die ihm auch später, nach seiner Metamorphose zu Ant-Man unter die Arme greifen. Diese Charaktere wirken traurigerweise so, als würde die Quoten-Checkliste zwanghaft abgearbeitet und es bleibt ein fahler Nachgeschmack, wenn man sich bewusst macht, dass alle Nicht-Weißen nur lächerliche Sidekicks sind, die ihre Stereotypen erfüllen. Fast ist man an den Japaner aus Breakfast at Tiffanys erinnert. Seriously – diese Marvel-Filme spielen regelmäßig über eine halbe Milliarde ein: Es würde echt nicht schaden, wenn sie mal versuchen würden, ihre festgefahrenen und überholten Rollenbilder zu durchbrechen. Wobei man es vielleicht schon als Fortschritt sehen muss, dass es jetzt Quoten-Mexikaner gibt und die weibliche Hauptfigur zumindest in Aussicht gestellt bekommt, dass sie in der Fortsetzung auch mal eine Heldenrolle übernehmen darf.
Handlung: pfui – Umsetzung: hui!
Nach dem großen Coup, bei dem Scott Lang versehentlich in den Besitz des Ameisen-Anzuges kommt, ohne noch zu wissen, worum es sich handelt und der dem Marvel Cinematic Universe tatsächlich einen angenehm erfrischenden Touch gibt, verfällt der Film in Standard-Muster, wie wir sie spätestens seit Karate Kid kennen und auch in Super-Hero-Movies schon oftmals gesehen haben. Der Held muss lernen, mit seinen Fähigkeiten umzugehen, um schließlich seinem überlegenen Kontrahenten gegenüberzutreten und diesem in einem spektakulären Kampf in den Hintern zu treten. So altbacken die Handlung auch sein mag, so abwechslungsreich präsentiert sie sich optisch. Obwohl die Kampfinszenierung wenig Raffinessen zulässt und im typischen Rahmen der Marvel-Verfilmungen bleibt (Watchmen hat beispielsweise fantastisch gezeigt, dass man Kämpfe in Comic-Verfilmungen auch interessanter choreographieren kann und sich nicht nur auf CGI-Explosionen verlassen muss), bekommt sie durch den geschrumpften Charakter eine neue Perspektive. Plötzlich werden Smartphones zu tödlichen Wänden, Spielzeug-Züge bekommen eine bedrohliche Größe und Ameisen werden zu mächtigen Verbündeten.
Nicht nur bei der Action hinkt Ant-Man seinen Marvel-Kollegen um nichts nach, auch in den Dialogen kann er sich sehen lassen und in Sachen Witz und Charme mit dem Frechdachs und Publikumsliebling Tony Stark messen. Apropos Tony Stark und Avengers: Einer von der weltrettenden Posse hat im Film eine Begegnung mit dem Ameisen-Mann, die er nicht so schnell vergisst und die wohl auf künftige Ereignisse hindeuten wird. Es schadet generell nicht, wenn man nicht alles aus dem filmischen Marvel-Universum vergessen hat, denn typischerweise gibt es zahlreiche Querverweise. Auch wenn es nicht der Rede wert ist, weil der geübte Marvel-Fan es sowieso weiß: Es gibt Post-Credit-Szenen. Eine in der Mitte des Films und noch eine ganz am Ende!
Marvel und die Belanglosigkeit
Ich betrachte Marvel-Verfilmungen mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits unterhalten sie mich für ihre 120 Minuten und es stellt sich die Frage, ob man überhaupt mehr von einem Frühlings- oder Sommer-Blockbuster erwarten darf. Andererseits ermüdet mich diese immer gleiche Form und Inszenierungsweise. Die Verfilmungen erfüllen damit das geistige Erbe ihrer gezeichneten Vorlagen. Sie erscheinen wie Comic-Hefte in regelmäßigen Abständen und können ihre Trivialität nicht völlig leugnen. Freilich ist der Produktionsaufwand, das Marketing und auch der Gewinn ungleich größer als bei einem vergleichsweise billigen Comic-Heft. Wirklich weh tut mir bei den Marvel-Verfilmungen aber regelmäßig der Gedanke, wie viel Potential verschenkt wird. Sei es in Anbetracht ihrer noch immer äußerst repressiven Wertvorstellungen oder ihrer Inszenierung, die zwar regelmäßig gelungen, aber immer meilenweit von den Größen des Genres entfernt ist. Es bleibt ganz stark zu hoffen, dass es der Konkurrenz von DC unter dem Banner von Warner Bros gelingt, hier ein bisschen mehr Varietät zu zeigen und allein die unterschiedliche Ästhetik der beiden Trailer zu Batman v. Superman und Suicide Squad lässt mich hoffen.
Hoffen ließ mich auch Ant-Man und eigentlich wurde ich nicht enttäuscht. Der Film macht Spaß, das Schrumpfen bringt zumindest einen Hauch Abwechslung in die Dynamik des Films, Paul Rudd fühlt sich in der Rolle pudelwohl, wohingegen Evangeline Lilly und Michael Douglas etwas blass abfallen. Klar würde es mich freuen, wenn Evangeline Lilly als einzige Frau nicht nur ein Bauer im großen Schachspiel wäre und wenn die Quote der Nicht-Weißen nicht nur von liebenswerten, ansonsten aber durch und durch dämlichen und geradezu unfähig-tollpatschigen Charakteren erfüllt würde, aber man kann wohl nicht alles haben. Disney hat mit Merida, Rapunzel und Frozen bewiesen, dass man durchaus bereit für einen Paradigmen-Wechsel ist. Vielleicht kommt die Botschaft ja auch irgendwann bei der konservativen Tochter Marvel an. Bis dahin bleibt zu sagen, dass Ant-Man die Fans der halbjährlichen Marvel-Verfilmungen zufriedenstellen dürfte. Für mich persönlich ist Ant-Man überraschenderweise nach Guardians sogar die gelungenste Marvel-Verfilmung seit dem Beginn der Phase 1. Es bleibt spannend, wohin uns Marvel in den nächsten zehn Jahren führt und ebenso spannend ist, wie lange das Publikum diesen ewig repetitiven Rhythmus noch mitspielen wird. Abschließend lässt sich sagen: Wer richtig gute, lustige und auch originelle Filme sehen will, wählt Filme, denen Edgar Wright nicht auf Grund kreativer Differenzen den Rücken zugekehrt hat.
Ant-Man
R: Peyton Reed
D: Adam McKay, Paul Rudd
Cast: Paul Rudd, Evangeline Lilly. Corey Stoll, Michael Douglas
L: 117 min
ET: 23.7.2015
USK: 12