For Honor oder: Heldenepik im Internet

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit

von helden lobebæren, von grôzer arebeit,

von fröuden hôchgezîten, von weinen und von klagen,

von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. 

                                         – Nibelungenlied, Handschrift C

 

Ach was war, oder wäre, das nur für ein Leben gewesen, wie es in zahlreichen alt- und mittelhochdeutschen Handschriften festgehalten wurde. Da wurden Zwerge, Riesen und Drachen erschlagen, es gab ordentlich Beef mit Burgunden und Hunnen. Väter zogen gegen ihre Söhne in gewaltige Schlachten, man gab sich unter Linden der hohen und niederen Minne hin und Pferde wurden im Allgemeinen mit Zaubersprüchen aus Merseburg geheilt. Knapp 800 Jahre später sollte eine Spieleschmiede namens Ubisoft von einer weiteren epische Aventüre erzählen: For Honor nennt sich die Multiplayer-Sage, die vom Krieg der Ritter gegen die Wikinger und Samurai erzählt. Klingt irgendwie nach einer Folge Galileo Mystery – nur ist For Honor im Gegensatz dazu explizit gut.

Ubisoft und Multiplayer lässt mich in der Regel vorsichtig aufhorchen. So wirklich geglückt ist diese Beziehung meiner Erfahrung nach noch nie. In Assassin’s Creed Unity ist es mir nicht gelungen, in eine Multiplayerpartie zu gelangen und Rainbow Six: Siege habe ich irgendwann entnervt aufgegeben, weil mir ständig die Verbindung zum Server verloren ging. Mit einer gesunden Dosis Skepsis wagte ich mich also in Ubisofts Online-Mittelalter-Tandaradei und obligatorisch bin ich auch aus der einen oder anderen Partie wegen Serverproblemen geflogen. Das ist ärgerlich, im Großen und Ganzen hat es For Honor aber geschafft, mich – vor allem mit der innovativen Spielmechanik – zu begeistern und an den Controller zu binden. Während man bei Activision glaubt, futuristische Waffen würden das ewig gleiche Geballer revolutionieren und man bei EA den ersten Weltkrieg über die altbekannte Spielmechanik legt, zieht For Honor die Schwerter und es fühlt sich tatsächlich erfrischend abwechslungsreich und neu an. Das ist die große Stärke von For Honor. Es verbindet die erprobten Elemente schneller Multiplayer-Gefechte mit einem neuen Spielgefühl!

Natürlich sind Rüstungen und Schwerter in Videospielen kein Novum (The Witcher, Banner Saga … ) und auch im Multiplayersetting traten sie schon in der einen (Soul Calibur), oder anderen (Mount and Blade) Form auf. Ubisoft ist es allerdings mit For Honor gelungen, den Schwertkampf dynamisch an die Anforderungen von multiplayerüblichen Spielmodi wie Dominion, Deathmatch etc. anzupassen, ohne dabei Einbußen in der Epik und Dramatik der Inszenierung hinzunehmen. Wenn ich For Honor spiele, egal ob ich gewinne oder haushoch die Rüstung verdellt bekomme, fühle ich mich wie ein ehrenwerter Recke über den das Volk Legenden erzählen und Lieder singen sollte! Genauer genommen fühle ich mich als Reckin, denn freundlicherweise darf ich auch als Frau in die Schlacht ziehen. Ebenfalls ungewöhnlich und positiv zu erwähnen ist, dass ich als Frau in For Honor sogar mit Gewand gesegnet bin, das mehr als nur meine Scham verdeckt, sodass ich vor gegnerischen Schwertstreichen sogar glaubwürdig geschützt bin. Das sei nur am Rande erwähnt, andere haben über die Bedeutung des Designs weiblicher Charaktere bereits ausführlich geschrieben.

Während die Levels architektonisch typische kleine Multiplayer-Areale sind, die optisch an Wikinger, Ritter oder Samurai angepasst sind, ist es der oben erwähnte Nahkampf, der For Honor zur Ausnahme-Perle macht. Jede Fraktion hat verschiedene Heldenklassen, die verschiedene Waffen schwingen. Vom wendigen Springinkerl mit Dolchen. bis zum langsamen Haudrauf sollte jeder Zockende seine persönliche Vorliebe finden. Das Balancing scheint mir dabei ziemlich gut geglückt zu sein. Ich habe jedenfalls Gegner aller Typen verkloppt und wurde auch von Gegnern aller Typen ordentlich verhaut.

Jeder Kämpfende hat ein kleines Schildsymbol, das in drei Teile (oben, links und rechts) gegliedert ist. Die Richtungen symbolisieren, auf welcher Seite man gerade seine Waffe hält. Wechseln kann man einfach mit dem rechten Stick. Trifft man auf einen Kontrahenten, kann man ihn mit den rechten Schultertasten entweder stark oder schwach links, rechts oder von oben angreifen. Dieser muss, will er den Schlag abwehren, seine Waffe in derselben Position halten. Macht Sinn und funktioniert unglaublich gut. Komplexer wird das Kampfsystem durch Spezialangriffe und relativ kurze Kombos. Wer hier Kombos wie bei Street Fighter erwartet, ist fehl am Platz. Blockt der Gegner zu viel, kann man ihn werfen. Alle Aktionen können durch gutes Timing auch gekontert werden. Achten muss man dabei auch auf die Ausdauer, die man ähnlich wie bei Bloodborne aufbraucht und die sich erst nach kurzer Pause wieder auflädt. Man muss in den Duellen unglaublich konzentriert sein und durchaus taktisch vorgehen. Das Kampfsystem ist einfach zu lernen und nicht schwer zu meistern. Die Schwierigkeit des Kampfes ergibt sich daraus, dass die Kontrahentinnen und Kontrahenten das Kampfsystem ebenfalls sehr gut beherrschen. Es wird taktiert, angetäuscht, das Bewegungsmuster des Gegners studiert und gekontert.

Der Kernmodus des Spiels mag wohl der Dominion-Modus sein, bei dem es multiplayertypisch bestimmte Punkte einzunehmen gilt. Dabei läuft auch jede Menge Bot-Fußvolk herum, das man mit spektakulären Animationen niedermetzeln kann (300 lässt grüßen), was das eigene Leben wieder auffüllt (vorausgesetzt man besitzt diesen Perk). Dieser Modus ist, wenn die Server stabil sind, auch äußerst amüsant und turbulent, wobei ich öfters den Überblick verliere und im ganzen Computer-Fußvolk andere Menschen nicht gut erkenne. Außerdem gibt es diverse Deathmatch-Varianten, von denen ich persönlich den Duell-Modus bevorzuge. In Kämpfen mit mehreren Menschen hat mich das Matchmaking oft in recht unfaire Partien geworfen. Für all das Gemetzel belohnt uns For Honor mit Geld, Stufenaufstiegen, neuen Fähigkeiten und auch neuen Ausrüstungsgegenständen.

For Honor verlangt von uns eine klare Stellung. Wir entscheiden uns zu Beginn für eine der drei Fraktionen. Jeder Sieg oder jede Niederlage gibt dieser Fraktion dann auf einer Weltkarte Territorium. Nach (ich glaube?) zwei realen Wochen ist ein Krieg dann vorbei und die Fraktionen bekommen für ihre Leistungen am Schlachtfeld Belohnungen. Auf dieser Weltkarte zählen übrigens die Kämpfe von PC, Xbox One und PlayStation 4. Dann beginnt die nächste Runde. Das ist allerdings nur ein nettes Gimmick am Rande, den wirklich glücklich wird man damit wohl nicht, behaupte ich als Gewinner des ersten Krieges.

For Honor bringt den lang erwarteten frischen Wind ins kompetitive Internet-Gemetzel. Es sieht fantastisch aus, die Kampfmechanik ist genial und man fühlt sich wie ein kühner Held oder eine loebebare Reckin aus dem eingangs erwähnten Nibelungenlied. Ich hoffe und wünsche mir, dass diesem feinen Mittelalter-Mash-Up nicht zu schnell die Spielerinnen und Spieler ausgehen. Mir haben Multiplayer-Kämpfe schon lange nicht mehr so viel Freude bereitet. Und was steckt nicht an Potential in dieser Spielmechanik? Was wird uns Ubisoft da noch bescheren? Piraten vs. Ninja? Hätte EA nicht Star Wars verschluckt, würde ich von einem Jedi-Gekloppe träumen. Man kann wohl nicht alles haben. Bis dahin freue ich mich aber riesig über den Kampf zwischen Wikingern, Samurai und Rittern und drücke dafür bei gelegentlichen Serverproblemen, Hörnern auf Wikingerhelmen und dem belanglosen Storymodus ein Auge zu, denn For Honor ist geil. Punkt.

For Honor
Entwickler: Ubisoft Montreal
Publisher: Ubisoft
Plattform: Playstation 4, Xbox One, PC
bereits erschienen

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