Frischer Wind in den Segeln: The Banner Saga 2

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Wenn ehemalige Bioware-Mitarbeiter sich von den Fesseln des Kommerz lösen um ihr eigenes Ding zu machen, dann hat das Potential. Das eigene Ding heißt The Banner Saga und ist als Trilogie konzipiert. Wie brillant bereits der erste Teil war, könnt ihr im Uschi-Test zu The Banner Saga nachlesen. Endlich habe ich meine Clans nun auch durch die Fortsetzung geführt. Vorweg: Es bleibt weiterhin fantastisch.

Anzumerken ist, dass man Teil 2 auf keinen Fall ohne Kenntnis des ersten Spiels erleben sollte. Erstens, weil man sonst die Grundlagen und Hintergrundgeschichte der liebevollen Welt verpasst, zweitens weil der Spielstand wie etwa in der Mass Effect-Trilogie importiert werden kann. Achtung: Mögliche Spoiler bezüglich des ersten Teils ahead!

Was bisher geschah …

Zur Wiederholung möchte ich trotzdem kurz die Story und die Spielmechanik des ersten Teils streifen. In einer von nordischer Mythologie inspirierten Fantasy-Welt sind die Götter verschwunden und die Sonne hat aufgehört unterzugehen. Die Menschen und die riesenhaften gehörnten Varl haben ihre jahrhundertealten Konflikte beigelegt und führen ein halbwegs friedliches Dasein. Zusammenhalten müssen sie allerdings, wenn sie gegen die Bedrohungen aus dem Norden bestehen wollen. Seltsame Steinwesen, die Dredge, greifen die Lande an, die ihrerseits vor einer sich immer weiter ausbreitenden Dunkelheit fliehen. Diese Invasion veranlasst auch Menschen und Varl zu einer Völkerwanderung, in die man als Spielerinnen und Spieler eingreift.

Wie bisher gespielt wurde …

Die Spielmechanik – daran ändert auch der zweite Teil nichts – lässt sich grob in zwei Teile gliedern: Einerseits die Wanderung der Clans, in der man Rationen handhaben muss und bei Zwischenfällen, die nach wie vor meist in Textboxen präsentiert werden, schwerwiegende Entscheidungen fällt und andererseits die rundenbasierten Kämpfe. Bei den Kämpfen schickt man ein Team aus mehreren Kämpferinnen und Kämpfern auf einem Schachbrett-Schlachtfeld gegen den Feind. Sowohl die Wanderung als auch die Kämpfe beeinflussen sich gegenseitig. Ist die Truppe vom langen Wandern demoralisiert, kämpft sie schlechter. Umgekehrt müssen wir uns entscheiden, ob wir Siegespunkte lieber in neue Fähigkeiten und Levels der Heldinnen und Helden oder doch in lebensnotwendige Rationen investieren. Die Spielmechanik war im ersten Teil spannend und wurde im zweiten feinfühlig optimiert.

Das Banner wird geteilt …

Am Ende des ersten Spiels trat unsere Truppe in einem epischen Finale einem schier unbezwingbaren Dredge namens Bellower gegenüber. Abhängig von unserer Entscheidung starb bei diesem dramatischen Finale entweder der Anführer Rook oder seine Tochter Alette. Weil Rook ein alter Mann und Alette eine coole emanzipierte starke junge Frau ist, wurde Rook in meinem Fall von Bellower zermalmt. Die Auswirkungen meiner Entscheidung lässt mich The Banner Saga 2 dank dem importierten Spielstand sofort spüren. Nicht alle in meinem Clan finden Feminismus so super wie Alette und ich. So sieht sie sich schon bald mit heftiger Gegenwehr und aufmüpfigen Clansmitgliedern konfrontiert. Mein Clan spaltet sich. Sofort sind wir wieder in der faszinierenden und oftmals unvorhersehbaren Welt von The Banner Saga gefangen.

Frischer Wind

Der Anfang von The Banner Saga 2 überrascht außerdem auch optisch, denn die Karawane ist nicht mehr zu Fuß unterwegs, sondern gleitet in Schiffen einen Fluss hinab. An den gewohnt schwierigen Entscheidungen, bei denen sich oftmals Vernunft und Moral gegenüberstehen, ändert das aber nichts. Am Flussrand sind Flüchtlinge. Nehmen wir sie zu uns auf unsere überfüllten Boote und riskieren, dass diese teilweise sinken oder ignorieren wir sie? Der Flusslauf ist durch Treibholz verstopft. Versuchen wir durchzusegeln, umgehen wir das Hindernis am Landweg oder schicken wir unsere Axtkämpfer an die Arbeit? Beim Karawanen-Zug wird optisch noch mehr Abwechslung als im ersten Teil geboten. Die Göttersteine, Wegweiser für Reisende, die über den ganzen Kontinent verteilt in den Himmel ragen, sind jetzt merkbar unterschiedlich und jeder ist eine wahre Sehenswürdigkeit, aber auch die Landschaften sind abwechslungsreicher. Die Reise führt unter anderem über verregnete Ebenen, durch ausgedehnte Höhlen und mystische Wälder.

Von Zentauren und anderen Neuerungen

Frischen Wind gibt es auch bei den Kämpfen. Einerseits gibt es deutlich mehr Gegnertypen, auf die man teils sehr unterschiedlich reagieren muss und andererseits werden die Schachbrett-Kämpfe dynamischer in die Story eingebaut. So kann es zwischen zwei Zügen schon passieren, dass das Spiel kurz innehält und sich einige Charaktere am Schlachtfeld einen Dialog liefern oder die Gegner aufgeben, nachdem ihr Anführer gefallen ist. Am Rande des Schlachtfeldes sieht man außerdem oft, was in der Handlung gerade passiert. Haben wir Oddleif etwa vorab im Dialog darum gebeten, den Gegner zu flankieren, taucht sie während der Schlacht am Rande auf und unterstützt uns mit Pfeilen. Banner Saga-typisch kann das aber auch nach hinten losgehen… Ein wichtiger Charakter, den ich auf eine ähnliche Mission geschickt habe, kam von dieser nicht lebend zurück, was im weiteren Spielverlauf für einige Konflikte sorgte.

Fazit: gewohnt genial – oder das lange Warten auf Teil 3

The Banner Saga 2 setzt genau dort an, wo der wundervolle erste Teil aufhörte. Es nimmt die gelungene Spielmechanik, verbessert sie behutsam und bringt vor allem mehr Abwechslung in die Optik und die Kämpfe. Noch immer werden viele Entscheidungen und Geschehnisse mit unvertonten Textboxen präsentiert. Noch immer gilt: Wer sich darauf einlässt, bekommt eine der stimmungsvollsten, ungewöhnlichsten und atmosphärischsten Fantasy-Welten der letzten 100 Jahre präsentiert. Untermalt von einem magischen Soundtrack führt uns auch The Banner Saga 2 durch eine wunderschöne handgezeichnete Welt, die aussieht (und ich wiederhole mich hier), als ob sich Disney George R.R. Martins Game of Thrones angenommen hätte. The Banner Saga 2 ist erwachsene Low Fantasy, das Gute und das Böse sind nicht so einfach zu trennen und all die liebenswerten, schroffen, hinterhältigen, kauzigen Charaktere haben ihre ganz eigenen Motivationen. Hisst die Fahnen! Lasst die Winde die Segel der neuen Schiffe aufbauschen! Führt euer Banner zum Finale des zweiten Teils, das nicht ganz so episch wie jenes des ersten ist und dennoch die Wartezeit auf den dritten Teil unerträglich macht. The Banner Saga 2 ist genauso außergewöhnlich und fantastisch wie der erste Teil und für mich persönlich zählt die Reihe zum Besten, was das Genre zu bieten hat.

The Banner Saga 2
Plattform: Windows, OS X, PS4, Xbox One
Entwickler: Stoic
Publisher: Versus Evil
Bereits erschienen (19.4. 2016, die Konsolenversionen folgten im Juli)

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