Maikäfer flieg – mit Kinderaugen durch die Stunde Null

maikaeferflieg02

Regisseurin Mirjam Unger verfilmte Christine Nöstlingers Autobiographie „Maikäfer flieg“, eine Kindergeschichte über das Ende des Zweiten Weltkriegs und die beginnende Besatzungszeit. Der Film war der heurige Eröffnungsfilm der Diagonale. Ob er etwas taugt, erfahrt ihr im Review.

„Es ist schon lange Krieg…“

In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zieht eine Mutter (Ursula Strauss) mit ihrer Tochter Christine (Zita Gaier) und deren Schwester ins Ferienhaus ihrer Arbeitgeberin (Bettina Mitterdorfer), um dort das erhoffte, baldige Kriegsende auszuharren. Bald gesellt sich auch der dessertierte Vater (Gerald Votava) dazu und hält sich bei ihnen versteckt. Und dann ist es soweit, die gefürchteten Russen haben die Wehrmacht aus Ostösterreich vertrieben und beginnen eine vorübergehende Besatzung. Und gerade das Haus, in dem die Familie wohnt, wird zum Hauptquartier.
Während sich die Famile mit den Russen arrangieren, und der Vater seine Identität als deutscher Soldat geheimhalten muss, freundet sich die junge Christine mit dem russischen Koch Cohn (Konstantin Khabenski) an.

maikaeferflieg10

Wem die Stunde Null schlägt

Der Film hat einen exzellenten Cast, der vollends überzeugen kann. Neben der fantastischen Performance von Ursula Strauss und Gerald Votrava spielt auch der aus den Wächter der Nacht-Filmen bekannte Konstantin Khabenski hervorragend. Die größte Überraschung bieten aber die Kinderdarsteller, allen voran Hauptfigur Zita Gaier in ihrer ersten Rolle überhaupt. In weiteren Nebenrollen sind Heinz Marecek und die kürzlich in Krampus spielende Krista Stadler als Großeltern zu sehen.

Mirjam Unger ist es perfekt gelungen, die Zeit des Kriegsendes und auch die beginnende Nachkriegszeit im intimen Rahmen einzufangen, und sehr schön durch die Augen eines Kindes zu erzählen. Und gerade diese Zeit, die – fälschlicherweise – als Stunde Null bezeichnet wird, da das Kriegsende auch mit der Entnazifizierung Deutschlands und Österreichs assoziiert wird, wurde bislang kaum bis gar nicht filmisch behandelt.
Und hiebei fällt einem auf, wie sehr der Filmhandlung die rosarote Nostalgiebrille aufgesetzt wird: Auch wenn die erste Besatzungszeit doch recht bedrohlich für die Familie ist, vor allem, da der Vater seine Identität als deutscher Soldat geheimhalten muss, sind die Sachen, die passieren, sowie auch die Persönlichkeiten und Einstellungen mancher Personen, doch recht harmlos. Was immer zu der Zeit auch passiert sein mag, Christine Nöstlinger hat es erst 40 Jahre später im Rahmen eines Kinderbuches niedergeschrieben. Und auch die Filmemacher mussten den Film allen Altersklassen zugänglich machen, darum sind auch gewisse brisante Themen entschärft oder kommen gar nicht im Film vor.
Es fällt zudem einem schon auf, dass die Regisseurin gerne dramaturgische Spiegelungen verwendet: Eine deutsche Straßensperre wird im Verlauf des Filmes zu einer Russischen, die resolute Großmutter wird zu einem ängstlichen Fraulein, Russischkenntnisse helfen einmal und bringen dann doch wiederrum in Gefahr, und Kriegschaos weicht organisierten Arrangements.

Zu guter Letzt muss noch über die Produktion gesprochen werden: Für die doch recht kleine Produktionsfirma Kranzelbinder Gabriele Productions (KGP) war das schon ein Mammutprojekt. Dennoch hat der Film einen hohen Produktionswert, bietet eine tolle Ausstattung, Kostüme, und auch technisch ist er auf einem sehr hohen Niveau.

maikaeferflieg09

Verdikt: „Ich werd alles tun damit die Zeiten nie mehr normal werden“

Mirjam Unger ist ein doch berührender und für alle Altersklassen zugänglicher Film über die beginnende Nachkriegszeit gelungen. Ein toller Cast und gute Kameraarbeit runden das Ganze ab. Wenn man dann noch mit dem Wissen reingeht, dass wegen einiger Restriktionen sehr oft die Dinge weniger drastisch gezeigt werden, als sie vermutlich gewesen sind, wird man von dem Film keinesfalls enttäuscht werden.

 

Maikäfer flieg

R: Mirjam Unger
B: Sandra Bohle, Mirjam Unger
Ö, 2016, KGP
L: 109 min
D: Zita Gaier, Ursula Strauss, Gerald Votava, Konstantin Khabensky
Ö-Start: 11.3.2016

More from Bernhard Mairitsch
Schwarz und Gold: Ein Review zu „Woman in Gold“
Simon Curtis verfilmte die wahre Geschichte um den an David gegen Goliath...
Read More
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert