Mirror’s Edge Catalyst – oder: Die Freude hält sich in Grenzen

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Manche werfen EA vor, immer nur jährliche Updates erfolgreicher Franchises (Stichwort: Fifa) zu veröffentlichen. Dabei veröffentlicht das Unternehmen gelegentlich ziemlich mutige und innovative Spiele.

Neben Dead Space gehört etwa das 2008 erschienene Mirror’s Edge dazu, bei dem man die Protagonistin Faith in bester Parkour-Manier aus der Ego-Perspektive durch eine ebenso sterile wie dystopische Stadt hetzt. Während Fans und Presse das Spiel lobten, erzählten die Verkaufszahlen eine andere Geschichte und es war mehr als unsicher, ob Faith je zurückkehren würde.

Faith ist zurück! Yay?!??

Umso größer war die Freude, als letztes oder vorletztes Jahr auf einer der wichtigen Spielemessen ein neues Mirror’s Edge angekündigt wurde. Der Erscheinungstermin wurde vage mit „wenn es fertig ist, ist es fertig“ angegeben und fertig geworden ist es 2016. In Mirror’s Edge Catalyst schlüpft man erneut in die virtuelle Haut der sportlichen Protagonistin Faith. Am grundlegenden Spielprinzip hat sich kaum etwas geändert. Aus der Egoperspektive läuft, springt, rutscht, rollt und schwingt man über die Dächer der fiktiven Metropole Glass. Die Handlung knüpft allerdings nicht wirklich an jene des Vorgängers an. Mirror’s Edge Catalyst beginnt mit der Freilassung der Protagonistin, die wegen einer uns unbekannten Sache im Gefängnis saß. Kaum frei, nimmt sie wieder mit ihrer Runner-Gruppe Kontakt auf, die von ihrem Ziehvater Noah geleitet wird. Runner sind Parkour-Künstlerinnen und Künstler, die in der – von Konzernen kontrollierten – Metropole illegale Aufträge über den Dächern der Stadt ausführen.

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An den Ecken und Enden verschlimmbessert!

Soweit so bewährt und auch so gut. Leider hat man den zweiten Teil mit diversen Neuerungen aber ordentlich verschlimmbessert. So folgen wir als Faith jetzt nicht mehr den Levels des Vorgängers, sondern klettern, hauptsächlich auf Dächern, durch die offene Spielwelt Glass. Mirror’s Edge und Open World? Was wie ein Traum klingt, entpuppt sich leider als Reinfall. Während mich die völlig belanglosen Nebenaufgaben einfach kalt lassen, ich sie ignoriere und sie deshalb auch keiner Kritik würdige, kommt in Glass einfach kaum Stimmung auf. Das liegt aber nicht an dem nach wie vor tollen Soundtrack und dem minimalistisch-stilisierten Grafikstil, der wohl Geschmackssache ist. Wobei ich nicht die häufig gelesene Meinung teile, dass der Grafikstil des Vorgängers beibehalten wurde. In Mirror’s Edge sah die Welt klinisch sauber aber dennoch ziemlich echt aus. Es war eine glaubwürdige Stadt. In der Fortsetzung wurde die Stadt aber weiter abstrahiert und oftmals bekommt man den Eindruck, durch eine Art Tetris-Kulisse oder Spielzeug-Stadt zu turnen, in der einem ein hoher Quader als Hochhaus angedreht wird. Auch wenn mir die Stadt im ersten Teil besser gefiel, kann ich dem abstrakten Grafikstil der Fortsetzung dennoch einiges abgewinnen.

Ich bitte Sie, laufen Sie durch meine Wohnung, I don’t care.

Dass es auf den zahlreichen Dachterrassen aber kaum Passanten gibt und denen zudem völlig egal ist, dass man gerade auf illegaler Mission durch ihr nobles Penthouse fetzt, ist ein wenig irritierend. Die Stadt wirkt weitgehend leblos und tot. Ebenfalls neu ist ein Upgrade-System, mit welchem man Faith in mehreren Kategorien aufleveln kann. Da die meisten der Talentbäume aber schon zu Beginn ziemlich voll sind, wirkt das eher unnötig. Schießen hat die gute Faith seit dem ersten Teil auch verlernt (was kaum bedauerlich ist, weil das eher einer der Kritikpunkte war), denn die Schießprügel in Glass sind biometrisch an ihre Träger gekoppelt und für Faith unnutzbar. Somit bleibt für Faith nur der Nahkampf, der sich gegen die wenigen unterschiedlichen Gegnertypen nach anfänglich kindlicher Freude am Prügeln schon nach kurzer Zeit als eher uninspiriert, nervend und unpräzise herausstellt.

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Cyberpunk hat schon besser funktioniert…

Storytechnisch stolpert Faith in Machenschaften, die ihr und ihren Runner-Freunden eine Nummer zu groß sind. Als sie versehentlich an die Rohdaten des Projekts Reflection kommt, beginnt der mächtige Konzern-Chef Krueger Jagd auf sie und die anderen Runner zu machen. Die Story hat den einen oder anderen Twist, der mich persönlich auf Grund der völlig unsympathischen und unnahbaren Charaktere aber kaum berührt. Die Figuren versuchen die Coolness von Cyberpunk-Charakteren im Stil eines Matrix aufzugreifen, was ich aber in diesem Fall eher lächerlich und missglückt finde und weshalb sie mir letzten Endes einfach auch samt der Story egal sind.

Wird den Erwartungen nicht gerecht

Ach Mirror’s Edge. Du stehst für mich für eines der innovativsten Projekte, die der Mainstream-Markt in den letzten 10 Jahren veröffentlicht hat. Prinzipiell klingen die Neuerungen der Fortsetzung Catalyst auch wirklich super. Assassin’s Creed hat vorgemacht, wie gut Parkour und eine offene Spielwelt zusammenpassen und auch das Aufleveln von Faiths Fähigkeiten wäre, wenn es vernünftig umgesetzt worden wäre, eine gute Idee. Im Fall von Mirror’s Edge Catalyst hätte ich aber anstatt der belanglosen offenen Spielwelt klassische und dafür spannend und spektakulär durchgescriptete Schlauchlevels vorgezogen.

Fazit: No, Faith!

Meine Jammerei an dieser Stelle kommt von der enormen Enttäuschung, weil ich einfach riesige Erwartungen in ein Mirror’s Edge mit offener Spielwelt hatte. Rein von der Spielmechanik ist Mirror’s Edge Catalyst trotzdem wie auch der Vorgänger äußerst gelungen. Schon nach kurzer Zeit hat man die Steuerung verinnerlicht und klettert, schwingt, rollt und rutscht wie ein Profi durch die Gegend. Das macht auch kurzweilig Spaß und erzeugt eine Art meditativen Flow. Ohne viel zu denken, bewegt man sich von A nach B und von B nach C und wieder nach A. Der Weg ist hier das Ziel, denn das eigentliche Ziel ist letztlich nur noch ein belangloser Tastendruck, um einen Sicherungskasten zu Zerstören oder eine Botschaft oder ein Paket aufzunehmen oder abzugeben. Mirror’s Edge Catalyst eignet sich gut, um kurz den Kopf auszuschalten und einfach ein bisschen all das zu machen, was im echten Leben auf Grund der eigenen Unsportlichkeit nicht funktioniert. Das hält aber leider nicht lange bei der Stange. Enttäuschend ist einfach, wie viel Potential hier verschleudert wurde. Ich sehe leider keinen Grund dieses Spiel in irgendeiner Weise zu feiern.

Mirror’s Edge Catalyst
Plattform: PS4, XBox One, PC
Entwickler: Digital Illusion
Publisher: EA
bereits erschienen.

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