Die erste Sequenz des neuen Ridley-Scott-Films The Martian (USA, 2015) ist grandios. Der spannungsgeladene Prolog führt perfekt in Schauplatz und Konflikt des Films ein. Die 3D-Effekte, der Schnitt, das Szenenbild und die Special Effects katapultieren einen mitten in die Gefahrenzone der Marsmission. Die essentiellen Fragen über das Ethos wissenschaftlicher Erkundungsreisen an der Grenze des Menschenmöglichen stellen sich unmittelbar. In den ersten Minuten wage ich nicht den Blick von der Leinwand zu richten und bete, dass die 3D-Brille nicht verrutscht.
Bring Him Home
Doch leider erfüllt der Film nicht im Ansatz die geweckten Erwartungen. Mark Watney (Matt Damon), ein zurückgelassener Botaniker-Astronaut der NASA-Marsmission kämpft in der menschenfeindlichen Einöde des roten Planeten allein um’s Überleben. Dank seiner Profession schafft er es aus seinen eigenen Fäkalien, Marsboden und einer geschickten Technik Wasser zu erzeugen, und die zum Überleben unabdingbaren Kartoffeln anzubauen. Seine Intelligenz verhilft ihm sogar dabei Kontakt zur Erde herzustellen. Immer wieder wird sein Überlebenskampf durch die Naturgewalten erschwert, doch trägt der einsame Kolonist sein Schicksal stoisch. The Martian spielt weder seine im Prolog angedeuteten philosophischen, noch seine möglichen psychologischen Komponenten aus. Es folgt eine spannungsarme Aneinanderreihung von Techniktalk, flachen Witzen und Heroisierungen eines Einzelkämpferdaseins. Die krampfhaft optimistische Haltung, sowohl des einsamen Weltraumpiraten und seiner Ex-Crew, als auch der irdischen NASA-ExpertInnen ist nicht nur ermüdend, sondern hindert jeden Konflikt daran sich zu entfalten. Die im Soundtrack verwendete Diskomusik spiegelt den schon wahnwitzigen Optimismus und karikiert ihn ungewollt. Watney kommentiert dies flapsig selbst im Film in etwa mit den Worten: „I’m gonna die up here if I have to listen to any more disco music!“. Eine Kuriosität des Plots ist die plötzliche, unmotivierte Hilfe des chinesischen Weltraumprogramms, das mit dem selbstlosen Zur-Verfügung-Stellen seiner neuen Top-Secret-Boost-Technologie die Rettung von Watney in den Bereich des Möglichen rückt. Ich muss unweigerlich Donald Trumps US-Wahlkampf und die Neubewertung der chinesisch-US-amerikanischen Beziehungen hinzu einem kooperativeren Kurs assoziieren.
Die 130-minütige Space-Einsiedelei kann leider trotz perfekter Bild,- und Tongestaltung, wunderbaren Bauten, authentischen Kostümen und brillantem 3D nicht überzeugen. Es fehlen schlicht ein gelungener Spannungsbogen und irgendeine psychologische Entwicklung der Charaktere. Ohne diese beiden tragenden Säulen der klassischen Narration kann einen noch so viel Eye-Candy nicht über die Belanglosigkeit der Erzählung hinwegtäuschen.
The Martian
USA 2015
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Drew Goddard
nach dem Buch von: Andy Weir
20th Century Fox
Kinostart in Wien, 09.10.2015
Trailer: