Trash, Kitsch, Camp und jede Menge Drama erwarten euch in diesem packenden Coming-of-Age-Märchen-Pop-Oper-Film!
Pikadon!!!
Eine atemberaubende, kinematografische Achterbahn der Gefühle beschert einem der erste „Familienfilm“ des japanischen Visionärs Shion Sono. Ryoichi wird auf seiner Arbeit im Großraumbüro gemobbt und schon auf dem Weg dorthin suchen ihn Panikattacken heim. Eigentlich wollte er Rockstar werden, doch es blieb bei zwei erfolglosen Konzerten. Der trostlose Alltag des jungen Erwachsenen wird ein wenig glücklicher, als er bei einem fliegenden Händler eine handflächengroße Schildkröte erwirbt. Er tauft sie Pikadon, zu deutsch: Atombombe. Ryoichi und Pikadon spielen und genießen das Leben für einen Abend, es ist Liebe auf den ersten Blick. Am nächsten Tag bringt Ryoichi seinen neuen Freund mit in die Arbeit. Als die Mitarbeiter die Schildkröte bemerken, bricht fast das ganze Büro in schallendem Gelächter aus und der panische und zutiefst beschämte Ryoichi spült die Schildkröte im Klo hinunter. Ryoichi ist verzweifelt und besessen von Pikadon: so unkontrolliert, dass er einem Rocker seine Gitarre in Schildkrötendesign entreißen will. Auch Pikadon kann Ryoichi nicht vergessen. In der Kanalisation trifft Pikadon auf einen verschrobenen Magier, der weggeworfenes Spielzeug und zurückgelassenen Haustiere pflegt und ihnen neues Leben einflößt. Diese Begegnung wird nicht nur Pikadons Größe, sondern auch Ryoichis Leben grundliegend verändern…
Chunibyo
Chunibyo ist eigentlich das umgangssprachliche Wort für die „Achtklässlerkrankheit“ in Japan. Sie beschreibt einen Zustand, in dem sich 13- bis 14-jährige für Superhelden halten. Eine neue Szenekultur in Tokio hat sich den Begriff angeeignet. Junge Erwachsene, die aus der Leistungsgesellschaft aussteigen wollen, träumen sich in ein Leben ohne Verantwortung, verachten Arbeit und wünschen sich ein sorgenfreies Leben. Sie treffen sich in Szenelokalen, machen Performances und leben ihre exotischen und infantilen Vorlieben ganz öffentlich in der Gruppe und im Netz aus. Jede/r macht dies auf individuelle Weise, der eine schlüpft in die Rolle seines Lieblingssuperhelden, die andere spielt Punkrock mit S/M-Einlagen. Exzentrik und Infantilität sind der Schick dieser Szene. Der Protagonist Ryoichi könnte als ein Held von genau dieser Szene gefeiert und Love & Peace könnte vielleicht zu einem Kultfilm à la Rocky Horror Picture Show werden. Individuen, denen es unmöglich ist in der blasierten Arbeitswelt anzukommen, suchen eine Möglichkeit auszubrechen und sich zu ermächtigen. Verspielt erkämpfen sie sich ihre Freiräume fernab von Genderstereotypen und gesellschaftlichen Zwängen.
Finale
Love & Peace gewann beim Fantasia Film Festival 2015 in Montreal, eines der größten Genrefilmfestivals Nordamerikas, den Publikumspreis als bester asiatischer Feature-Film. Seine Ästhetik ist geprägt von Diskontinuitäten, die sich zu einer synergetischen Emotionsmaschine zusammensetzen. Sono verbindet auf gestalterischer Ebene Live-Action mit Puppenspiel und 3D-Animation, sowie auf inhaltlicher Ebene ein Märchen mit einer Mediensatire und einem Musikfilm. Diese Hybridität wirkt auf den ersten Blick kokettierend, jedoch entsteht ein Sog, der einen nicht mehr loslässt, und bei allem Meta-Meta-reflexiven Gestus stehen die grundliegenden menschlichen Gefühle wie Furcht, Scham und Liebe im Zentrum seiner Erzählung. Also – jede Scham vergessen und einfach mitsingen!
Love & Peace
Japan 2015
Regie & Drehbuch: Shion Sono
Gansis & King Records
Links