Disney hatte es nicht so leicht mit seinen Live-Action Adaptionen von Animations-Klassikern in den letzten Jahren. Inszenierungen wie Oz (2013) und Maleficent (2014) waren nicht nur finanziell wenig erfolgreich, sondern gehen auch inhaltlich nicht über mittelprächtige Kostüm-Filme hinaus. Da fürchtet man sich fast vor dem Versuch, das Dschungelbuch neu zu erfinden. Tja, braucht man sich aber nicht.
Wie wir alle wissen, folgt Jungle Book dem Jungen Mogli, der von Panther Baghira gerettet wird und bei einem Wolfrudel aufwächst. Als er auf den Tiger Shir Khan trifft, setzt dieser ihm und dem Pack ein Ultimatum: Der Junge wird ihm ausgehändigt, oder Shir Khan tötet Mitglieder des Rudels. Um Schlimmeres zu verhindern brechen Baghira und Mogli auf, um ihn zu den Menschen zu bringen. Auf dem Weg zum Dorf trifft Mogli auf allerlei Bewohner des Dschungels, die den meisten KinogängerInnen bestens bekannt sein dürften: Balu, Kaa und Louie sind mit von der Partie. Die Geschichte basiert auf einem gesunden Mix aus Romanvorlage und Disney-Klassiker.
Uncanny Valley war gestern
John Favreau, den die meisten als Regisseur der Iron Man-Reihe kennen, inszeniert Jungle Book so episch, wie es nur eben ging. Wir tauchen ein in eine zuweilen düstere Welt, die einzig von Tieren beherrscht wird. Vielleicht lehne ich mich nun weit aus dem Fenster, aber noch nie war CGI authentischer als hier. Die Darstellung der Tiere ist der Perfektion nahe, sie wirken weder vermenschlicht, noch karikiert, sondern wie sehr mächtige, imposante Versionen ihrer tatsächlichen Vorbilder. Natürlich wissen wir, dass weder Schlangen, noch Affen so riesig werden, trotzdem passen sowohl Kaa, als auch King Louie in ihr Umfeld. Obwohl ich 3D in 10 von 10 Fällen als überflüssig erachte, habe ich hier endlich mal wieder ein Beispiel von gelungenem Einsatz der dritten Dimension gesehen (- das heißt, es stört mich nicht).
Die SynchronsprecherInnen sind das zweite Herzstück des Films. Ausnahmslos alle SprecherInnen – aufgrund ihrer tragenden Rollen allen voran Idris Elba (Shir Khan), Bill Murray (Balu) und Ben Kingsley (Baghira) – geben ihren Figuren viel Tiefe und Persönlichkeit. Neel Sethi, der als Mogli das erste Mal in einer großen Produktion auftritt, hat vermutlich die größte Anerkennung verdient. Obwohl seine Leistung nicht herausragend ist, muss man dem Jungen gratulieren, als einziger Darsteller in einem Studio so überzeugend mit imaginären Tieren zu spielen.
Trotzdem hat Jungle Book ein großes Problem, denn es kann sich nicht entscheiden, wer eigentlich seine Zielgruppe sein soll. Für Kinder ist es tatsächlich nicht geeignet, denn es hat deutlich zu viele düstere Ansätze und ist sicher für jüngere ZuseherInnen zu brutal und gruselig, für ein älteres Publikum bleibt es zu flach und vorsichtig. Vielmehr wird deutlich, dass man die ZuschauerInnen angeln möchte, die den Disney Animationsfilm von 1967 lieben oder zumindest nicht furchtbar fanden – aber das sind auch genug Menschen. Daher hat man es sich auch nicht nehmen lassen, zwei der beliebten Songs in den Film zu mogeln. Während man die „Bear Necessities“ noch freudig begrüßt, da sie geschickt in die Story geflochten wurden und an dieser Stelle auch super funktioniert, ist King Louies Einlage von „I want to be like you“ nicht nur fehl am Platz, sondern ein massiver Stimmungskiller.
Trotz dieser Schwäche macht Favreau bei Jungle Book an vielen Stellen alles richtig, und kann über bloßen „Fan-Service“ hinausgehen. Experimente werden keine gemacht, sondern bauen die signifikanten Stellen immer auf den großen Erfolg der Animationsvorlage auf, anstatt auf Kipplings Roman. Wenn man aber zur Zielgruppe gehört, und die Trefferquote wird hier sehr hoch sein, dann wird man den Film wirklich genießen können.
Jungle Book
Regie: John Favreau
Drehbuch: Justin Marks, nach einer Vorlage von Rudyard Kipling
Cast: Neel Sethi, Idris Elba/Ben Becker, Ben Kingsley/Joachim Król, Bill Murrey/Armin Rhode, Christopher Walken/Christian Berkel, Scarlett Johannsen/Jessica Schwarz
Start: 14. April 2016, FSK: 6; 106 Min.