In ihrem Debütroman Charlotte erzählt die Jungautorin Iris van der Horst die fiktive Geschichte einer Gruppe holländischer StudentInnen, die Widerstand gegen das Naziregime leisten.
Charlotte Jacobs, eine junge Holländerin, erzählt ihre Lebensgeschichte: Von ihrer Jugend im abgelegen Golden Town, bis hin zu ihrer Gefangenschaft durch die Nazis. Ein Großteil ihrer Erzählung nimmt ihre Studienzeit in Leiden ein, wo sie die vier Studenten Theo, Marius, Andreas und Levi kennenlernt. Gemeinsam in einer Pension lebend, erleben diese fünf FreundInnen den Blitzkrieg und die Okkupation der Niederlade durch die Nationalsozialisten. Um nicht untätig zuzusehen, beschließen sie, Widerstand gegen das System zu leisten, und verfassen patriotische Flugblätter. Doch als die Segregation und Judenverfolgung auch in Holland beginnt, geraten Charlotte und ihre Mitstreiter tiefer in den Sog der Untergrundbewegung hinein, bis eine Umkehr schließlich unmöglich ist…
In den Fußstapfen der Weißen Rose
Van der Horsts Debütroman ist mit seinen knapp 300 Seiten sehr dicht verpackt und besticht durch seine detaillierten Beschreibungen der Figuren und der Stadt. Natürlich ist die Heldin ihrer „Biographie“ frei erfunden. Dennoch basieren einige Momente und Zwischenfälle der Geschichte auf realen WiderstandskämpferInnen, man denkt sofort an Sophie Scholl und „Die Weiße Rose“ in München, wobei man aber die echten niederländischen Untergrundbewegungen ignorieren würde. Die Geschichte wird immerhin so realistisch erzählt, dass man vergisst, dass sie eigentlich erfunden ist.
Dass Charlotte das Ende des Buches wohl nicht überleben wird, ist eigentlich kein Spoiler, immerhin wird das doch bereits auf den ersten Seiten des Romans etabliert. Die Frage ist auch nie was am Ende passiert, sondern wie der Weg dorthin bereitet wird. Und daher will man das Buch, bzw. gewisse Stellen, nach erstmaligem Erfahren einfach nochmal lesen. Als LeserIn sucht man den Knackpunkt, der ihre ganze Operation auffliegen lassen könnte. Eben genau jener Wendepunkt ist eine packende Szene, die für sich allein stehend schon ein abendfüllendes Kammerstück sein könnte.
Die Figuren, allen voran Protagonistin Charlotte, sind das Herzstück des Romans. Man nimmt ihr und den anderen Figuren die enge Freundschaft sofort ab, und der Dialog kommt größtenteils lebensnah rüber. Einzig eine Liebesszene ist so kitschig geschrieben, dass selbst Rosamunde Pilcher sich schämen würde. Ein weiterer Wermutstropfen ist der etwas zähe Anfang, da es einfach ein wenig dauert, bis man wirklich in der Geschichte drin ist. Die detaillierte Beschreibung der Hintergründe der Figuren und des Heimatortes sind hierbei nämlich eher ein Hindernis, als eine Bereicherung. Vieles wird etabliert, was später nicht wichtig ist, geschweige denn vorkommt. Zumindest lernt man dadurch Charlotte und ihre Weltsicht besser kennen. Und ab dem Studienbeginn in Leiden lässt das Buch einen sowieso nicht mehr los. Immerhin schwebt die Frage, was Charlotte für ihre Freunde tun würde und vice-versa, ständig wie ein Damokles-Schwert über der Handlung.
Fazit: Widerstand ist niemals zwecklos
Charlotte ist ein durchaus kompetenter Debütroman, der langsam beginnt, aber stetig an Fahrt gewinnt, bis sich am Ende die Ereignisse überschlagen. Es ist egal, dass der Anfang den Schluss etwas vorwegnimmt, denn so sind es doch bestimmte Details, die das Ende in ein positiveres Licht rücken. Auch wenn die Geschichte Fiktion ist, so thematisiert sie doch einen wahren Teil der Weltkriegsgeschichte, welcher im Schulunterricht kaum bis stiefmütterlich behandelt wird: Die Widerstandsbewegung(en) in Holland unter der Naziokkupation.
Charlotte
Autorin: Iris van der Horst
Verlag: Brave New Books
Sprache: Englisch
Seiten: 296
erschienen 2016
Bildrechte:
Titelbild: Flickr – Salendron
Buchcover Charlotte: Brave New Books