Poliert eure Glatzen, es wird wieder gemordet!
In unserem allerliebsten Hobby gibt es kunterbunte Spielfiguren wie Kat aus Gravity Rush oder Yarni aus Unravel, die uns zunächst mit ihrer Putzigkeit ver- und dann in ihre zauberhaften Welten ent-führen. So sehr wir diese knuffigen Heldinnen und Helden lieben, so sehr erfreulich ist die Vielfalt der Videospielwelt, die es ermöglicht, auch in düsterere Abgründe zu blicken. Seit dem Jahr 2000 gibt sich regelmäßig ein Glatzkopf mit ikonischem Strichcode am Hinterkopf ein Stelldichein, wenn es vor den Bildschirmen und hinter den Controllern ernst wird. 16 Jahre nach seinem Debut als virtueller Auftragskiller in Hitman: Codename 47 kehrt der todbringende Klon Nr. 47 erstmals in Serienform zurück.
Hitman: Die Serie
Serienform? Während wir im Vorgänger Hitman: Absolution aus dem Jahr 2012 noch ein volles und geradezu einsteigerfreundliches Spiel bekamen, entschieden sich die Entwickler beim neuesten Ableger für eine sequentielle Veröffentlichungspolitik. Ein umstrittenes Modell, das für uns Spielerinnen und Spieler Vor- wie Nachteile birgt.
Die offensichtlichste Gefahr besteht im Preis, wobei das bereits erschienene Intro-Pack mit zwei Trainingsmissionen und der ersten Hauptmission 15 Euro und die weiteren Episoden Italien, Marokko, Thailand, USA und Japan jeweils 10 Euro kosten sollen. Damit wäre das Spiel letztendlich in der typischen Preisklasse eines Vollpreisspiels. Anfang 2017 soll außerdem ein Komplettpaket erscheinen. Beim Testen habe ich das Serienformat überraschenderweise zu schätzen gelernt.
Was bisher geschah, wir aber noch nicht gesehen haben.
First things first. Die beiden Trainingsmissionen führen uns 20 Jahre in die Vergangenheit als Agent 47 seine Karriere beginnt. Obwohl die beiden Levels relativ klein sind, offenbaren sie schon die mögliche Vielfalt und Kreativität, die uns in 47s Hände gelegt werden. Im Tutorial müssen wir einen Meisterdieb auf einer Yacht ausschalten. Dabei handelt es sich allerdings um keine echte Yacht im Meer, sondern um eine stimmige Yacht-Kulisse, schließlich sind wir nicht auf echter Mission, sondern bei einem Aufnahmetest in einer geheimen Basis irgendwo im Nirgendwo. Schon im Tutorial bemerken wir jede Menge interaktive Objekte, die Lust machen, herauszufinden, wie man sie zum Töten einsetzen kann.
Eine Yacht und unzählige Möglichkeiten
Nachdem wir den Meisterdieb in einer Schritt für Schritt Anleitung erledigt haben, die uns die Spielmechanik näherbringt, stehen wir wieder am Beginn des Levels. Diesmal müssen wir selbst entscheiden, wie wir den Knaben um die Ecke bringen wollen. Erschlagen wir ihn mit einem Rettungsboot? Erschießen wir ihn? Ertränken wir ihn? Vergiften wir seinen Drink? Platzieren wir Sprengstoff hinter der Bar? Die Qual der Wahl, auf die uns das Spiel in Form von Challenges hinweist. Ich habe mich auch tatsächlich dabei ertappt, wie ich schon diese erste und äußerst kleine Mission immer und immer wieder neugestartet habe. Einerseits weil ich mit meinen eigenen Leistungen nicht zufrieden war (schließlich bin ich ein Profi – da muss alles perfekt laufen!) und andererseits weil ich eben möglichst viele Wege zum Tod des Opfers ausprobieren wollte.
„Ab durch die Decke“ mit dem KGB.
In der zweiten nachgestellten Trainings-Mission müssen wir dafür sorgen, dass ein KGB-Agent und Verräter seine neue Wahlheimat – Mütterchen Sowjet-Russland – nicht heil erreicht. Hier zeigt uns das Spiel einen weiteren Kniff der Spielmechanik. Überhören wir, wie NPCs über Ereignisse plaudern, die uns helfen könnten, können wir (optional per Klick auf das Touchpad – gestestet wurde auf der PS4, AdR.) vom Spiel Checkpoints anfordern, die uns so in einer Art Schnipseljagd zum Ziel führen. Auch diese Mission habe ich erstaunlich oft in verschiedenen Variationen durchprobiert. Kaum ein Genre weckt in mir einen solchen Perfektionsdrang, wie es die Stealth-Titel von Reihen wie Splinter Cell, Metal Gear Solid oder eben Hitman tun. Dessen neueste Auflange liefert mir hier eine perfekte Spielwiese, die zum Experimentieren einlädt.
Latest Fashion Trends: Strichcode ist das neue Schwarz
Nachdem wir uns ausführlich durch die beiden Übungsmissionen gemeuchelt und geschlichen und dabei die Steuerung und Spielmechanik verinnerlicht haben, lässt uns das Spiel auf die erste richtige Mission und was wir sehen, verschafft uns einen schönen Eindruck und große Vorfreude auf das, was da noch in den folgenden Episoden kommen mag. Auf einer Fashion-Show in Paris wollen zwei Zielpersonen über den Styx geschifft werden. Das Level ist deutlich größer und nicht weniger fesselnd als die Trainingsmissionen. Kaum ein Spiel bietet eine so hohe Wiederspielbarkeit.
Episoden zum Verweilen
Jetzt kommt der kuriose Part: In meinen Augen profitiert die Wiederspielbarkeit von der seriellen Erscheinungsform des neuesten Hitmans, wenn sie nicht sogar das Resultat daraus ist. Hätte ich das komplette Spiel in Händen, wäre ich wohl weit weniger lange in einem Level verweilt und hätte eher versucht die Story durchzurauschen – obwohl ich auch in Hitman: Absolution unverhältnismäßig oft auf Reload ging um alternative Wege auszuprobieren. So weiß ich aber, dass ich etwa vier Wochen für die perfekte Ausführung meiner Mission habe und dieses Zeitfenster lädt zum Erkunden und Ausprobieren ein. Apropos Story: Diese ist noch eher vernebelt und angedeutet, wirkt aber realistischer und ernster als im zynischen Vorgänger, in dem man sich beispielsweise in einem Endgegnerkampf einer Posse aus Fetisch-Latex-Nonnen gegenüber sah, über deren unangebrachte Outfits sich auch NPCs lustig machten. Es bleibt zu hoffen, dass es gelingt, eine durchgehend fesselnde Rahmenhandlung über alle Episoden zu legen. Durch den Abstand, der zwischen der Veröffentlichung bleibt, haben die Entwickler allerdings auch die Möglichkeit, noch Anpassungen vorzunehmen und auf Kritik zu reagieren. Spielerinnen und Spieler können andererseits jederzeit aufhören und damit Geld sparen, sollten sie das Interesse verlieren, was IO-Interactive und Square Enix im Gegenzug dazu veranlassen sollte, die Qualität hochzuhalten.
Zu viel will ich über 47s neues Abenteuer noch gar nicht sagen. Die Technik ist eher zweckmäßig, das Leveldesign ist extrem vielversprechend und macht Lust auf mehr. Persönlich kann ich nur raten, sich nicht von den Episoden abschrecken zu lassen und schnell in die hässliche Haut von 47 zu schlüpfen, denn selten hat Morden so viel unethischen Spaß gemacht.
Die Bilder wurden von Square Enix zur Verfügung gestellt.
Hitman
Plattform: PS4, XBox One, PC
Entwickler: IO-Interactive
Publisher: Square Enix
bereits erschienen.