Hollywood ist tot und ihr habt es getötet! Und das Gejammer über die Realverfilmung ist legitim, wenn man sich selbst gern jammern hört, nicht aber, weil Ghost in the Shell ein schlechter Film ist.
Seit dem ersten Trailer war ich gespannt auf die Ghost in the Shell-Realverfilmung. Seit dem ersten Trailer war ich begeistert von Scarlett Johansson als Major, die meines Erachtens wie aus dem Anime geklettert aussieht. Seit dem ersten Trailer war ich skeptisch wie bei kaum einem Film, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass Hollywood diese fantastische Vorlage auch nur ansatzweise artgerecht umsetzt. Zu philosophisch ist der Manga und der Anime, zu tiefsinnig, wenn man sich denn darauf einlassen möchte. Ghost in the Shell (2017) ist eine mittelmäßige Literaturverfilmung geworden. Zu weit hat man sich vom Original entfernt, zu unnötig sind viele Änderungen. Ich fühle mich geradezu beleidigt, weil uns Hollywood die Tiefe des Originals offenbar nicht zutraut und uns stattdessen eine laue Selbstfindungs-Rache-Geschichte präsentiert.
Lässt man die fantastische Vorlage außer Acht, bleibt aber ein guter bis sehr guter Science Fiction-Film. Die gezeigte Welt ist unglaublich liebevoll umgesetzt und was von der Kreativabteilung der Realverfilmung ergänzt wurde, fügt sich nahtlos in das Gesamtbild der gezeichneten Vorlage. Zum Beispiel die ikonischen Robo-Geishas, die man bereits aus dem Trailer kennt oder all die Hologramme, die sich in Form von Werbung oder Goldfischen über das Stadtbild legen. Die Actionszenen sind fetzig und die Schauspieler sehen ihren gemalten Vorlagen verblüffend ähnlich. Neben dem guten Science Fiction-Film ist Ghost in the Shell außerdem ein großartiger Cyberpunk-Streifen geworden. Genau so wünsch ich mir Cyberpunk! Böse Konzerne, coole Typen und -Innen, Hacken und Implantate. Klar wäre es schön, wenn es mehr Substanz gäbe, jedoch scheint mir, setzen viele bei Ghost in the Shell Doppelstandards an. Im Vergleich zu anderen Science Fiction-Blockbustern schneidet Ghost nämlich meines Erachtens nicht mal schlecht ab!
Was mich zum nächsten Punkt bringt: Wieso ändert Hollywood die fantastische Vorlage? Wieso verkauft man uns für blöd? Und hier suche ich die Schuld nur teilweise beim Studio. Den Großteil der Verantwortung tragen wir. Du, du, du und ich. Wir sind es, die Filmen wie Transformers: Dark of the Moon, Captain America: Civil War, Avengers: Age of Ultron, Fast and Furious 7, Jurassic World und nicht zuletzt die Nummer 1 Avatar unter die Top 15 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten gehoben haben. Man kann diese Filme mögen, aber wir sind uns alle bewusst, dass es nicht gerade Gehirnakrobatik benötigt, um ihnen zu folgen.
Als Franzi und ich im Kino die Treppen hinabsteigen, um uns Ghost anzusehen, unterhalten wir uns über Fast and Furious 8 (The Fate of the Furious). Das Plakat, auf dem neben den ganzen Chav-Karren auch ein Atom-U-Boot (!!!) zu sehen ist, fasziniert mich auf seltsam schaurige Weise. Franzi ist in heller Vorfreude und auch ich weiß, dass ich mir in einem schwachen Moment jenen Bullshit ansehen werde. Es ist auch völlig legitim. Manchmal will man es eben einfach nur krachen sehen, ohne viel zu denken. Ein paar Autos explodieren, ein paar unsympathische Body-Builder schieben dümmliche One-Liner über Familie, Autos und Ehre, ein paar Frauen in knackigen Tops und Hotpants zieren das Bild und keiner wundert sich mehr über Panzer oder unendlich lange Startbahnen. Fast and Furious ist spätestens seit Teil 6 die Selbstverherrlichung von Schund und eigentlich spricht nichts dagegen. Nur dürfen wir uns nicht wundern, wenn bei Hollywood die Botschaft ankommt, dass Dummheit die Kassen klingeln lässt. Entsprechend brauchen wir jetzt auch nicht heulen, wenn eine vielschichtige Literaturvorlage in der Verwestlichung (ich nenne es „West-Washing“) simpler gemacht wird. Damit es unsere Fast and Furious-Köpfe auch auf jeden Fall vertragen, denn da ist für Fragen über das Leben, was uns als Menschen ausmacht, wohin uns die Technik führt und welche ethischen Probleme das bringen mag scheinbar kein Platz.
Schade, denn Ghost in the Shell hätte noch viel besser werden können. Weil ich mich aber auch an gut gemachten CGI-Orgien erfreuen kann, halte ich Ghost in the Shell (2017) trotz verschenktem Potenzial noch immer für einen äußerst sehenswerten Cyberpunk-Streifen, der sich nicht vor der Blockbuster-Konkurrenz verstecken muss und von den ganzen Grantlerinnen und Grantlern im Internet zu unrecht angegriffen wird. Ghost in the Shell muss sich nur vor einer Sache verstecken: Vor dem Original.
Jene, die nicht differenzieren können oder wollen, jene, denen nicht klar ist, dass Veränderung Teil des Geschichtenerzählprozesses ist und jene, die unbedingt verschiedene Medien miteinander vergleichen müssen, können ja immer noch beim Original bleiben.
Ghost in the Shell
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: Jamie Moss, William Wheeler, Ehren Kruger
Soundtrack: Lorne Balfe,Clint Mansell
Cast: Scarlett Johansson, Pilou Asbæk, Michael Pitt, Takeshi Kitano, Juliette Binoche
Laufzeit: 107 Minuten
FSK: 16
Kinostart: 30.03.17 (AT)