Soundhunters: Menschen, die Geräusche jagen

Arte wagt Multimedia und das nicht zum ersten Mal. Doch der Anspruch von Soundhunters ist noch größer: Die Geräusche der Umwelt sollen in einem weltweiten Kunstprojekt zu einer neuen Sprache werden.
Mit Soundhunters wagt der TV-Sender Arte ein Multimedia-Experiment.
Mit Soundhunters wagt der TV-Sender Arte ein Multimedia-Experiment. (Bilder und Fotos: Arte)

Arte wagt Multimedia und das nicht zum ersten Mal. Doch der Anspruch von Soundhunters ist noch größer: Die Geräusche der Umwelt sollen in einem weltweiten Kunstprojekt zu einer neuen Sprache werden.

Das Knistern eines Feuers, die Sirene eines Polizeiwagens, die gleichmäßigen Schritte eines Halbschuhs auf dem Asphalt: Wer mit offenen Ohren durch die Welt geht, entwirrt aus dem Geräuschbrei, der uns umgibt, Harmonien, Rhythmen und im Idealfall ganze Lieder. Die Welt als unendlich großes und vielfältiges Instrument, das jeder bedienen kann – der TV-Sender Arte nennt diese Idee Soundhunters. Und der Zuschauer ist mittendrin. Denn über das Netz wird aus der Dokumentation ein multimediales Projekt, bei dem sich auch die Zuschauer beteiligen können.

Dokumentarfilm-Experiment

Denn Soundhunters ist mehr als ein Dokumentarfilm-Experiment für Musiknerds. Der Schritt vom passiven Zuschauen zum eigenständigen Erschaffen führt in den Itunes-App-Store – und hier offenbart sich der vielleicht einzige Nachteil des Experiments: Er führt nämlich ausschließlich in den Apple-Store. Mit der Soundhunters-App, die es dort gibt, kann man Geräusche aufnehmen und sofort in Samples verwandeln. Diese laufen in eine stetig wachsende Datenbank ein, aus der man dann einen eigenen Song erstellen kann – dieses Mal zum Glück ohne App, die nur für ein Betriebssystem zu haben ist.

Erste Inspiration finden die ZuschauerInnen in den vier interaktiven Dokumentationen. Dort können sie den Musikern Mikael Seifu (Lagos), Dedelus (Berlin), Simonne Jones (Sao Paulo) und Luke Vibert (New York) folgen und dabei zusehen, wie sie aus Geräuschen Musik machen. Mehr noch, sie bereisen die Städte auch als Sprachforscher, Soziologen und Künstler. Was kann das Pidgin-Englisch über den Zusammenwachs der Kulturen aussagen? Wie vertragen sich deutsche und türkische Identität? Und wie wirkt sich eine Stadt wie Sao Paulo auf die Geräusche und das Selbstverständnis ihrer Bewohner aus? „Normalerweise bin ich von Geräten umgeben, wenn ich Musik produziere“, sagte Simonne Jones während des Make//Sound-Festivals, auf dem Soundhunters gezeigt wurde. „Im Dschungel zu sein, war eine vollkommen andere Erfahrung.“ Sie verbrachte viel Zeit damit, zuzuhören. „Darin liegt eine unglaubliche Kraft – wenn man nicht versucht, die Kreativität mit seinen eigenen Gedanken zu füllen sondern das benutzt, was von außen kommt.

 

Dass die Soundhunters auf dem Kultursender Arte einen Platz gefunden haben, ist dabei gar nicht so überraschend. Mit About: Kate startete der Sender 2013 eine Crossmediale Serie über Konsum, Mediennutzung und Identität. Die ZuschauerInnen konnten über eine App die Folgen der Serie kommentieren und bekamen nebenbei einen Psychotest aufgetischt, der sie analysierte.

Kultureller Remix

Soundhunters ist dagegen eine spielerische Verbeugung vor dem kulturellen Remix. „Dieser legt die Grundlage für eine weltweite Sprache – die der Musik.“ So beschreiben die Macher ihr Projekt. Neu ist die Idee nicht. Wer die Einstürzenden Neubauten kennt, weiß, dass sich deren Mastermind Blixa Bargeld nicht nur von Musik sondern auch vom Lärm inspirieren lässt. Ein anderer großer Name, Jean-Michel Jarre, übernimmt die Gestaltung des Albums, das zum Start von Soundhunters erscheint. Doch schon in den 40er Jahren zogen Geräusche in die Musik ein. Pierre Schaeffer, Karlheinz Stockhausen und John Cage ebneten hier den Weg.  Ihre Erkenntnis war dieselbe, auf der auch Soundhunters aufbaut – Musik kann alles sein und Musiker sind nichts anderes als Menschen, die Geräusche jagen.

Wer seinen urbanen Soundtrack bis 31. Oktober auf der Soundhunters-Seite hochlädt, kommt vielleicht einen Platz auf einem Album. Der beliebteste Track kommt in den Abspann der Soundhunters-Dokumentation, die am 19. September auf Arte und danach in der Arte-Mediathek zu sehen ist.

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