„There are days that define your story beyond your life, like the day they arrived“: Denis Villeneuves Sci-Fi-Werk „Arrival“, basierend auf der grenzgenialen Kurzgeschichte von Ted Chiang, „Story Of Your Life“, ist nun endich im Kino angekommen.
In Ultimas Res
Alles änderte sich am Tag ihrer Ankunft: Zwölf oval geformte Sphären außerirdischer Herkunft landen auf der Erde, rund um den Globus verteilt. Die Menschheit ist verunsichert, die Militärs verschiedener Länder beziehen Stellung, und beschäftigen Wissenschaftler zahlreicher Fachgebiete, darunter Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) und Theorie-Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner). Ihnen gelingt das Unglaubliche: Eine erste Verständnisbasis für die gegenseitige Kommunikation zwischen Menschheit und der „Heptapod“-genannten Alienrasse. Doch bis zur völligen Verständigung braucht es weitaus mehr als das, und die Regierungen der Erde werden mit der Zeit immer nervöser: Warum sind die Aliens hier? Kommen sie in friedlicher oder feindlicher Absicht? Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, und es obliegt Louise, die Geheimnisse der Aliens und deren Sprache zu lüften, und so vielleicht den Lauf des Schicksals sowohl unseres Planeten als auch ihres eigenen Lebens zu beeinflussen.
Sprache ist die erste Waffe in einem Konflikt
Denis Villeneuve zählt zu den besten Regisseuren der Welt derzeit. Seine Filme strotzen nur so vor Bedeutung und visueller Erzählkunst. Arrival ist da nicht anders. Anstatt auf Action-Krachbumm zu setzen, geht der Film eher auf die philosophischen und diplomatischen Aspekte der Begegnung mit Außerirdischen ein. Mehr Contact, weniger Independence Day. Der Titel des Filmes ist ja auch „Arrival“, und nicht „Invasion“.
Die Kameraführung von Bradford Young ist auf einem hohen Level und komplementiert gekonnt die Erzählung der Geschichte. Die Ankunft an der Landestelle bleibt hierbei eine der besten visuellen Narrative des gesamten Films: Die Kamera filmt den Anflug eines Helicopters mit dem monumentalen Gebilde des Raumschiffs vor der nebeligen Bergwand im Hintergrund, nur um davon wegzuschwenken und die Aufmerksamkeit dann auf die davor stationierte Militärbasis zu legen. Denn hierauf liegt der Fokus des Filmes.
Des Weiteren kann man sich an manchen Stellen visuell an 2001 und andere Filmklassiker (The Day The Earth Stood Still, Solaris, Contact etc) zurückerinnert fühlen: Das Fenster, worüber die Außerirdischen mit den Menschen kommunizieren, sieht aus wie das genaue Gegenteil des Monoliths aus Kubricks Film, wobei seine Funktion ein Ähnliche ist. Eine weitere Deutung in dieser Hinsicht ist, dass Villeneuve hier einen Kommentar auf Film und das Kino abgibt, aber die Erläuterung dazu würde zu sehr abschweifen.
Ebenso wie die visuelle Ebene sticht die auditive Ebene hervor: Da es im Film um die Macht der Sprache geht, ist es nur naheliegend, dass auch der Ton erzählerisch mitwirkt. Auch wenn der Hintergrundlärm der Hubschrauber anfangs die Dialoge schwer verständlich macht, so wird durch die Tatsache, dass die musikalische Sprechweise der Heptapoden die Protagonisten auch außerhalb des Raumschiffs begleitet, deutlich, dass der Lernprozess der Menschen wirklich angefangen hat.
Die Figuren sind gut und werden vor allem gut gespielt. Adams und Renner tragen hierbei den Film, denn die Persönlichkeiten ihrer Figuren sind am meisten ausgebaut. Forest Whitakers Army-General Weber wirkt daneben etwas stereotypisch, überzeugt jedoch durch das Charisma des Oscar-Preisträgers. Allein seine Eröffnungsszene sagt viel über den Charakter der Figur aus. Im Grunde genommen sind aber alle Nebenfiguren jediglich ein Mittel zum Zweck. Wenn nach 20 Minuten auf der Basis eine unbedeutende Figur plötzlich eine eigene Szene samt Hintergrundgeschichte bekommt, muss man kein Experte sein, um zu erkennen, dass diese Person später noch Ärger bereiten wird.
Ein Punkt aus der Kurzgeschichte, der im Film aber nicht wirklich behandelt wird, ist, dass die verbale und die schriftliche Sprache der Außerirdischen unterschiedlich sind. Das würde eine spätere Szene, in welcher die Laute der Heptapoden untertitelt werden, um einen interessanten Aspekt bereichern. Immerhin ist eines der Hauptthemen des Filmes die Theorie um den Umgang mit Sprache, und wie sie das Denken beeinflusst.
Krisenherd(e) und Optimismus im Laufe der Zeit
Die ersten beiden Akte des Filmes sind fantastisch, und erfüllen jedwede Erwartung, die man haben könnte. Vor allem, da Villeneuve hier mit den Konventionen des Filmerzählens und der Erwartungshaltung des Publikum spielt und diese teilweise bricht. Leider kann der dritte Akt da nicht ganz mithalten. Während die Effekte im ganzen Film hervorragend sind, so gibt es doch eine Szene, die den Zuschauer wegen deutlich erkennbaren CGI-Haaren aus der Immersion reißt. Zudem ist es auch noch eine Expositionsszene, in welcher die Antworten der meisten bis dahin offenen Fragen dem Zuschauer auf dem Silbertablett serviert werden. Und hierbei muss ich kurz auf den Puristen-Modus schalten, und die Kurzgeschichte dafür loben, dass der Leser zusammen mit der Protagonistin auf die Dinge drauf kommt, und ihr nicht alles gesagt wird. *Puristenmodus_aus*
Des Weiteren inkludierten die Filmemacher für den Höhepunkt ein in Hollywood gängiges Sci-Fi-Trope (und bedienten sich auch einiger weiterer Klischees in den Dialogen), welches in der Vorlage zwar nicht wirklich vorgekommen ist, zumindest aber theoretisch vorhanden war. (Man kann das hier bewusst nicht näher beschriebene Plot-Device mit Chekovs Pistole vergleichen, wenn man will: Wenn im ersten Akt ein Gewehr auf der Bühne gezeigt wird, dann muss es in späterer Folge im Stück auch benutzt werden.)
Neben dem Fakt, dass die Verwendung dieses Plot-Devices ein wenig an Interstellar erinnert, verleiht es dem Finale etwas mehr Spannung (Story of Your Life hatte ja meines Wissens nach nicht wirklich einen dramaturgischen Höhepunkt, was andererseits auch nie das Ziel der Geschichte gewesen ist). Auch wenn auch hier alles vorgekaut wird, und eindeutig klargemacht wird, was das alles zu bedeuten hat. Ein wenig mehr Vagheit und Mehrdeutigkeit hätte dem Film diesbezüglich sicher gut getan. Erneut muss ich hier auf 2001 verweisen.
Was nicht bedeutet, dass das Ende des Filmes schlecht sei. Keineswegs. Der Film vermittelt eine wunderbare optimistische Botschaft über die gesamte Menschheit und ihre Zukunft im friedlichen Zusammenleben (a la Babylon 5). Im Grunde genommen bietet Arrival durch seine politische Agenda einen Bauplan zum Weltfrieden. Dass dabei einige Schlüsselelemente der Kurzgeschichte verändert bzw. geopfert werden mussten, ist in Kauf zu nehmen, stört aber auch wiederrum kaum bzw. nur die Puristen.
Fazit: (First) Contact or: Story(/-Time) of Your Life
Arrival ist ein wahrlich frustrierendes Meisterwerk: Der Film macht so viel richtig und präsentiert Neues, nur um dem Zuschauer später ein wenig Altbekanntes vorzusetzen, und ihm weniger Kompetenz zuzugestehen als er womöglich besitzt. Es ist anundfürsich eine gute Adaption einer brillianten und nachdenklich stimmenden Kurzgeschichte, und geht auf intelligente, beeindruckende und größtenteils originelle Weise mit dem Erstkontakt mit Außerirdischen um. Die Probleme des Filmes – vorwiegend der eher konventionellere letzte Akt – sind halt leider doch ein Manko, welches dafür sorgt, dass über seinen Platz auf dem Olymp der Science-Fiction-Filme noch diskutiert werden muss. (Ich persönlich meine ja aus meinem jetzigen Standpunkt, dass er ihn grundsätzlich schon verdient hätte) Eines aber ist gewiss: Egal wie man den Film findet, er regt zum Nachdenken und zu spannenden Gesprächen und Diskussionen an. Wahrlich ein Film, den man nicht verpassen sollte.
Arrival
FilmNation, Sony Pictures (Vertrieb Deutschland)
USA 2016
R: Denis Villeneuve
G: Sci-Fi, Drama, Mystery
B: Eric Heisserer, nach der Kurzgeschichte „Story of Your Life“ von Ted Chiang
D: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg
L: 116 min
FSK: 12
ET: 25.11.2016