A Dance with Turtles

Lecker, Pizza!
Vorbereitung ist alles.

Ein neues TMNT-Spiel! Wir haben Pizza bestellt und Shredder verkloppt!

Der popkulturelle Fundus der eigenen Kindheit ist etwas ganz Besonderes: Gerade die neunziger Jahre waren ein von Pixelgrafik durchwabertes Wunderland zwischen Legosteinen und Actionfiguren, dessen Magie eine ganze Generation von mittlerweile erwachsenen Geeks geprägt hat. Ein solches Erbe lastet schwer, Kinder der neunziger gebärden sich gerne mal wie angegraute FAZ-Literaturkritiker. Anders als diese beklagen sie aber nicht (zum Beispiel) den desolaten Stand der jungen Gegenwartsliteratur, sondern (zum Beispiel) die Rückkehr liebgewonnener Kindheitsikonen als seelenlose CGI-Monster. Was dann ja auch schon wieder dasselbe ist. Wenn es sich dann bei den Kindheitsikonen auch noch um die Ninja Turtles handelt, sind kontroverse Diskussionen praktisch vorprogrammiert.

Die Turtles haben einen weiten Weg hinter sich: Alleine der Sprung der ziemlich düsteren und blutigen Comicvorlage ins Vormittagskinderprogramm war schon ziemlich unwahrscheinlich. Unzählige Serien- Film und Gameadaptionen später sind die pizzaaffinen Amphibien aus dem popkulturellen Kanon nicht mehr wegzudenken: Eine nicht vollständig geglückte Michael-Bay-Kinoproduktion kratzt vielleicht an der Viacom-Jahresbilanz, aber doch nicht am Legendenstatus der Ninja Turtles!

Umso mehr wurden wir bei der Ankündigung von TMNT: Mutants in Manhattan hellhörig: Ein neues TNMT-Game? Hack‘n‘Slay? Platinum Games (Bayonetta!)? Cell-Shading-Optik? Klingt nicht schlecht, aber die Skepsis bleibt. Schließlich sind wir Kinder der neunziger…

Klickfest-Madness mit Charme

Pizza darf in einem TMNT-spiel natürlich nicht fehlen.
Pizza darf in einem TMNT-Spiel natürlich nicht fehlen.

Bunt, schnell und völlig chaotisch – im Guten wie im Schlechten. So ließe sich TMNT: Mutants in Manhattan schnell zusammenfassen, aber so einfach machen wir uns es natürlich nicht. Denn zu Gameplay, Optik und Spielmechanik lässt sich doch ein wenig mehr sagen.

Obwohl das Spiel auf den ersten Blick recht simpel wirkt, bringt es doch einige gute Ideen mit sich, die für eine erfrische Erfahrung sorgen. Leider gibt es auch einige Mängel, die den Spielspaß reduzieren.
Doch eins nach dem anderen.

TMNT: Mutants in Manhattan lässt sich alleine oder mit bis zu vier Spielern im Koop spielen. Der Einzelspieler-Modus ist allerdings nicht wirklich zu empfehlen, denn um das Potenzial der Turtles voll auszuschöpfen, muss ständig zwischen diesen hin und her gewechselt werden, was besonders bei schwierigen Gegnern hauptsächlich in Stress ausartet. Dafür wird hier allerdings anhand von Cutscenes die eher dünne Story erklärt, was sonst fehlt. Allerdings sei dahingestellt, ob dies wirklich ein Verlust ist, denn die Story ist nur schmückendes Beiwerk.

Dafür muss sowohl im Einzelspieler- als auch im Koop-Modus die KI lobend hervorgehoben werden. Sie ist kein Wunderwerk, aber die KI-Kollegen sorgen für solide Rückendeckung und helfen vor allem zuverlässig bei Heilung und Missionszielen.

Das Spiel selbst ist in verschiedene Stages aufgeteilt, in denen die Spieler verschiedene Ziele erfüllen müssen und dabei unzählige Horden von unterschiedlichen Gegnertypen bekämpfen. Am Ende jeder Stage warten Bosskämpfe mit Gegnern wie Beepop, Slash oder Shredder auf unsere Mutantentruppe. Jeder von ihnen hat seine ganz eigenen Stärken, weswegen es die Kämpfe wirklich in sich haben. Denn obwohl das Spiel hauptsächlich aus hektischem Buttonsmashing besteht, können die Bosse sehr zäh sein und manchmal sogar per Zufallsprinzip zu zweit auftreten. Hier sind also verschiedene Taktikten und die passende Ausrüstung von Nöten. Die erhält man im Hauptquartier, zu dem man an verschiedenen Punkten im Level Zugang erhält. Dort gibt es dann Heilungspizzen, Raketenwerfer oder allerlei taktischen Hilfsmittel.

Im Lair können jederzeit Waffen und Ausrüstung gekauft werden.
Im Lair können jederzeit Waffen und Ausrüstung gekauft werden.

Apropos Heilungspizza: Gerade während der Bosskämpfe kommt es irgendwann unweigerlich zum Ableben der Spielfigur. Schaffen es die anderen nicht, mir innerhalb weniger Sekunden zu helfen, werde ich ins Hauptquartier teleportiert. Doch das bedeutet nicht etwa Game Over. Denn nun kann ich mithilfe der Leertaste Pizza in mich reinstopfen, was das Zeug hält, um meine Gesundheit wiederherzustellen.

Jeder unserer vier Helden hat eine eigene Fähigkeit, die sich aber auch für alle anderen freispielen lassen. Michelangelo zum Beispiel kann durch einen kurzen Cheerleader-Tanz dafür sorgen, dass die Cooldowns aller Spieler zurückgesetzt werden. Das ist besonders bei Bosskämpfen wichtig. Es empfiehlt sich, alle Helden auszuprobieren und beim Coop-Spiel auf das richtige Timing bei den Fähigkeiten zu achten. Weiterhin können alle Charaktere mit sogenannten Charms ausgestattet werden, diese sorgen für Zusatzeffekte wie Unverwundbarkeit beim heilen der Spielkollegen.

50 Shades of Abwasserkanäle

Allerdings: So abwechslungsreich die Bosskämpfe und Fähigkeiten auch sind: Der Rest des Spiels ist es nicht. Die Ziele beschränken sich auf das Entschärfen von Bomben, dem Eliminieren von Gegner und dem Beschützen/Transportieren verschiedener Gegenstände. Mehr Vielfalt wäre hier mehr als nötig gewesen und auch das Leveldesign wechselt höchstens zwischen verschiedenen Varianten von Abwasserkanälen und Hochhäusern. Dabei ist die Optik insgesamt recht ansprechend. Der Cell-Shading-Look passt nicht nur zur comichaften Herkunft der Turtles, sondern fügt sich auch in die schnelle Spielmechanik ein. Die cartoonesk überzeichneten Farben, bunte Effekte, Bewegungsunschärfe, alles fügt sich zusammen zu einem herrlich überdrehten Gesamtlook, der das Spielgefühl erheblich aufwertet.

Raphael vermöbelt den Foot-Clan.
Raphael vermöbelt den Foot-Clan.

Die Eintönigkeit lässt sich jedoch so nicht verbergen. Und dabei ist sie nicht einmal die größte Schwäche des Spiels, denn Steuerung und Übersichtlichkeit leider unter einigen schweren Problemen. Denn auch wenn mir das Spiel einen Controller empfiehlt- war es denn wirklich nötig, die Tastenbelegung vor allem im Menü völlig willkürlich zu gestalten? Das Spiel lässt sich zwar erstaunlich gut mit Maus und Tastatur bedienen, die Menüs lassen einen bisweilen aber verzweifeln. Ebenso wie die völlig chaotische Missionsgestaltung. Eine Minimap gibt es nicht, das Spiel sagt uns nur, was wir machen sollen. Den genauen Zielort erhalten wir mithilfe der T-Glasses, wohl so etwas wie Smart Glasses für Schildkröten. Aber auch damit ist unser Ziel nicht immer sofort ersichtlich. Weiterhin erschwert wird das Gameplay durch belanglose Cutscenes, die uns vor Helikoptern warnen. Wer ist auf die Idee gekommen, diese mitten im Kämpfen abzuspielen? So wird das ansonsten gut funktionierende Spielprinzip unnötig kompliziert und irgendwie auch frustrierend. Wir haben uns nicht nur einmal gefragt, wo wir sind und was wir als nächstes machen sollen.

Teenage Mutant Meta Turtles?

Shredder UND Karai? Das gibt Ärger...
Shredder UND Karai? Das gibt Ärger…

Das Turtle Franchise geizt ja bekanntermaßen nicht mit intertextuellen Verweisen – was wenig verwundert, wenn man bedenkt, dass die Comics ja ursprünglich eine Superhelden-Parodie darstellten. Neben einer stattlichen Reihe von Crossover-Auftritten, etwa von Miyamoto Usagi oder Batman (!), treffen die Turtles auch gerne mal auf frühere Versionen ihrer selbst, wie etwa in Turtles Forever oder der Trickserie von 2003. Bleibt die Frage, wie das Spiel mit dieser Tradition umgeht, schließlich wollte Entwickler Platinum Games ja „eigenständige Turtles“ erschaffen und sich nicht primär an anderen aktuellen Adaptionen orientieren. Teenage Mutant Meta Turtles bekommen wir dann aber nur teilweise serviert: Erfrischend eigenständig kommt der Look daher, die Shinobi-Schildkröten wirken ein bisschen wie kantigere Versionen ihrer 2003er Alter Egos. So hat man dann auch an den besten Stellen das Gefühl eine Trickfilm-Episode zu spielen. Meistens ist das während der Bossfights der Fall, wenn fleißig Catchphrases gedropt werden. Hinsichtlich der Bosse hat man sich wie bereits erwähnt im Wesentlichen für die Alltime-Favourites entschieden, Shredder, Karai, Bebop und Rocksteady dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Dennoch erhält mit Armaggon, dem Mutanten-Hai auch ein eher ungewöhnlicher Bösewicht eine Bühne, noch dazu mit einem recht eigenständigen Look. Ein bisschen mutiger hätte Platinum dann aber doch sein dürfen, zumal das Franchise ja durchaus die Möglichkeiten für abgefahrenere Ideen liefert.

Im Sinne des Retro-Feelings als positiv muss hier aber noch die Musik hervorgehoben werden: Die Mischung aus oldschooligem Synthie-Soundtrack und klischeehaften aber treibenden Metal-Riffs bietet die perfekte Kulisse zum Comic-Geknüppel.

So hinterlässt das Spiel dann sehr gemischte Gefühle: Angesichts der zum Teil wirklich guten Ideen und der durchaus eigenständigen Atmosphäre wären wir gerne bereit über die offensichtlichen Schwächen hinsichtlich Gameplay und Langzeitmotivation hinwegzusehen. Schließlich hätte TMNT – Mutants in Manhattan durchaus das Potential eines dieser Spiele zu sein, die man nicht nur trotz, sondern gerade wegen ihrer Schwächen liebgewinnt. Leider wirkt es so, als hätten die Entwickler dabei auf halbem Wege die Lust oder den Mut verloren und so wirkt das Game dann auch über weite Strecken wie ein schlechter Kompromiss. So gerne wir uns auch eines Besseren haben belehren lassen wollen: Nicht nur für Kinder der neunziger bleibt Mutants in Manhattan eine eher enttäuschende Erfahrung.

TMNT – Mutants in Manhatten
Entwickler: Platinum Games
Publisher: Activision
Plattform: XBox One /360, Playstation 4 / 3, Steam (PC)
bereits erschienen

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1 Comment

  1. says: Chris

    „Eine nicht vollständig geglückte Michael-Bay-Kinoproduktion“

    Dieser Euphemismus, großartig!

    Die beiden neuen Filme sowie dieses Spiel hier sind ihr Geld nicht wert. Leider. Die Produzenten und Entwickler sind einfach nicht mehr in der Lage aus dem Turtles Franchise etwas Annehmbares herauszuholen; bin da auch skeptisch für die Zukunft. Vielleicht sollte man die Turtles einfach in den 90er belassen. Sie sollen endlich in Frieden ruhen dürfen.

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