Vollgas, Drift, Looping, Steilkurve, Fehler, Repeat. – Willkommen bei Trackmania Turbo.
Es ist schon eine Weile her – 13 Jahre – seit uns das erste Trackmania vor die PCs fesselte. In der Zwischenzeit sind laut Wikipedia neun Teile des rasanten Arcade-Racers erschienen, von deren Existenz ich zugegebenermaßen nichts wusste. Der neueste Ableger nennt sich Trackmania Turbo und wird von Ubisoft auf die Rennstrecken geschoben. Ubisoft hat unter anderem mit dem fantastischen Trials Fusion bewiesen, dass sie mich mit eher untypischen Racern stundenlang fesseln können, in denen man eigentlich nichts anderes macht, als sich über die eigene Unvollkommenheit und die damit einhergehenden Fehler aufzuregen und den Neustart-Button immer, immer, immer und immer wieder zu drücken.
Kurz und knackig
Die durchschnittliche Strecke von Trackmania Turbo ist zwischen 20 und 40 Sekunden lang, was gerade im Split-Screen-Multiplayer etwas langweilig ist. Im Karriere-Modus ist diese kurze Streckendauer aber mehr als ausreichend, da man kaum eine Strecke beim ersten Versuch (auf Gold) schafft. Eine Bronze-Medaille ist in den meisten Fällen einfach einzufahren. Will man Gold, verzeiht das Spiel kaum Fehler.
Zeit ist relativ – oder die längsten 40 Sekunden deines Lebens
Ein Beispiel aus der Praxis gefällig? Für die Gold-Medaille muss man die Strecke in unter 39 Sekunden absolvieren. Man fährt, fällt, startet neu und neu und nochmals neu, bis man die Strecken in und auswendig und im Schlaf kennt. Irgendwo und irgendwann auf dem schmalen Grad zwischen überirdischer und unerträglicher Frustration und eiserner Verbissenheit liegt der perfekte Run, bei dem das Adrenalin bis zur letzten Sekunde durch unsere Adern jagt. Wie oft sind wir ganz knapp vor dem Ziel noch gegen die Bande gekracht und vom Gold-Geist überholt worden? Je größer die Hürde umso erleichternder und freudiger ist die Gold-Medaille, wenn wir sie endlich haben. Bei allem Frust muss erwähnt werden, dass man die eigene Lernkurve sehr schön beobachten kann und mit jedem Versuch ein bisschen erfahrener wird. Es ist keine Seltenheit, dass wir 12 Minuten brauchen, bis wir auf einer 39 Sekunden-Strecke endlich die Gold-Medaille einfahren, nur um dann vom weltweiten Echtzeit-Ranking mitgeteilt zu bekommen, dass allein in Wien 85 Leute auf dieser Strecke schneller waren. Detail am Rande: Eine Kollision mit anderen Autos, beispielsweise dem Gold-Car oder dem Geist der eigenen Bestzeit, gibt es nicht. Es geht rein um die Jagd nach dem perfekten Highscore.
Unfall und Umfangreich
Wer jetzt glaubt, so kurze Strecken würden dem Spiel einen geringen Umfang und damit fehlende Motivation bescheren, der irrt, denn von diesen kurzen Tracks, die uns sehr lange fesseln können, gibt es 190 Stück. Diese unterscheiden sich sowohl im Schwierigkeitsgrad als auch der Umgebung. Man rast durch moderne Stadien, staubige Canyons, rutschiges Grasland und kopfüber durch ein Tropenparadies. Alle Szenarien fühlen sich merklich unterschiedlich an und fordern euer Können. Serientypisch gibt es (auch auf Konsole!) einen Streckeneditor, der für weiteren Nachschub sorgt. Die Bedienung desselben ist leider ziemlich umständlich, was den virtuellen Bau-Spaß aller selbsternannten Carrera-Bahn-Pioniere und Lego-Masterbuilder etwas trübt. Für ganz Verwegene gibt es auch einen Strecken-Zufallsgenerator. Wer tatsächlich alle Tracks in- und auswendig kennt, kann sich immer noch im weltweiten Ranking versuchen. Viel Spaß beim Versuch, auf Platz 1 zu kommen!
Mehr für Mehrspieler
Neben dem Splitscreen-Modus, für den von Anfang an alle Strecken freigeschaltet sind, gibt es auch einen etwas absurden Multiplayermodus, bei dem man mit zwei Controllern ein Auto steuert. Teamwork und Absprache sind Pflicht. So ein Rennwagen fährt sich überraschend ungenau, wenn zwei Fahrerinnen und Fahrer in zwei verschiedene Richtungen lenken. Wirklich ernstgenommen haben wir den Modus nicht, zwischendurch Laune gemacht hat er aber auch. Wir betrachten ihn bei aller Innovation mehr als kurios-spaßige Draufgabe denn als ernstzunehmenden Spielmodus. Trotzdem soll unsere Freude über den vorhandenen Split-Screen-Modus hervorgehoben werden, denn selbstverständlich ist dieser in einer Zeit nicht mehr, in der man seine Freunde, so man welche hat, getrost auf Abstand halten kann, indem man beim Zocken gemeinsam online allein auf der Couch sitzt.
Fazit: Trackmania Turbo hat aus mir einen frustresistenten Helden gemacht!
Trackmania Turbo fetzt und es fesselt mich. Immer und immer wieder versuche ich es, bis ich endlich den perfekten Lauf ins Ziel schaffe. Trackmania Turbo ist die perfekte Virtualisierung des Carrera-Bahn-Spielgefühls und erhält damit zu den rasanten Rennen und im wahrsten Sinne des Wortes abgedrehten Strecken noch einen gehörigen Nostalgie-Bonus. Die Strecken sind fordernd und abwechslungsreich, die unterschiedlichen Strecken-Szenarien mit ihren verschiedenen Wagenklassen bieten ausreichend Abwechslung und für Fans des Kompetitiven gibt es das weltweite Echtzeit-Ranking, das einem nach jedem Versuch reindrückt, wie viele Menschen viel besser sind.
Absurde Nebenwirkung: Als Spieler, dem es bisher immer mehr um den reinen Spielspaß, das Erfolgserlebnis und das Erleben spannender Geschichten ging, hat Trackmania Turbo und seine unverzeihliche Spielmechanik noch etwas anderes in mir ausgelöst. Es hat mir gezeigt, dass es nicht immer nur um den möglichst raschen Fortschritt gehen muss, sondern manchmal auch der Weg dorthin schon das Ziel ist. So hat Trackmania dazu geführt, dass ich plötzlich die From Software-Rollenspiele äußerst reizvoll fand, die ich bisher immer gemieden habe. Mittlerweile rase ich nicht mehr immer und immer wieder durch dieselben Loopings, sondern verkloppe bzw. werde immer und immer wieder von den selben Bewohnerinnen und Bewohnern Yharnams verkloppt. Vom Rennfahrer zum sterbenden Helden. So unterschiedlich diese Spiele sind: Sie teilen sich meinen Frust und Triumph.
Alle Bilder wurden mit der Share-Funktion der PS4 erstellt.
Trackmania Turbo
Plattform: PS4, XBox One, PC
Entwickler: Nadeo
Publisher: Ubisoft
bereits erschienen.