Zweite Reihe Blockbuster: Warum Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt ein guter Film ist
Wäre es nicht schön, wenn das Leben ein Computerspiel wäre? Probleme könnte man einfach dadurch aus dem Weg räumen, indem man den Levelboss umnietet. Doch Vorsicht: Was, wenn die neue Flamme gleich sieben Exen hat, die sich der Beziehung in den Weg stellen? Mit dieser Idee beschäftigt sich Bryan Lee O’Malley in seinem Comic Scott Pilgrim, den der britische Regisseur Edgar Wright 2010 auf geniale Weise verfilmte. Schade, dass das Publikum diese ultimative Romanze zunächst nicht sehen wollte.
Zur Geschichte: Scott Pilgrim (Michael Cera) ist 22, spielt mäßig gut Bass in der Band „Sex Bob-Omb“ und ist verliebt. Und zwar in die ständig ihre Haarfarbe wechselnde Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead). So sehr, dass er sogar Dinge von Amazon bestellt, um die Paketlieferantin zu einem Date einzuladen. Einziges Problem: Ramona hat sieben Exen, die alles daran setzen, damit keine neue Beziehung eingeht. Will Scott das Mädchen seiner Träume, muss er sich erst durch sie kämpfen – notfalls mit Kung Fu.
Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt spielte am ersten Kinowochenende gerade einmal 10 Millionen Dollar ein – ein Sechstel seiner Ausgaben. Und das, obwohl die Kritiker und Regie-Kollegen den Film lobten. So wie Kevin Smith: „Das Publikum wird keine Ahnung haben, was es getroffen hat“, sagte er nach einer Testvorführung – und sogar Quentin Tarantino soll den Film gemocht haben. Die Kritiken kommen wohl auch daher, weil Edgar Wright im Regiestuhl saß. Der Schöpfer der Cornetto-Trilogie drückte dem Film seinen unverwechselbaren Stempel auf und erweckte ein Comicbuch zum Leben.
Visuelle Comedy
Für eine gute Umsetzung eines Comics wie Scott Pilgrim braucht ein Regisseur dabei vor allem zwei Dinge: eine Ahnung, wie sich Geschichten visuell erzählen lassen, und Timing. Denn wenn Scotts Kommentare oder die „Kpok“ und „Kpow“, die bei den Kämpfen durch die Luft fliegen, nicht auf den Punkt genau stimmen, wären das Abenteuer ziemlich lahm. Zum Glück kann so gut wie kein Regisseur derzeit visuelle Comedy so gut wie Edgar Wright. Und schafft so ohne Mühe etwas, mit dem sich Kollegen wie Zack Snyder heute noch Abrackern: Einen Comic in das Medium Film zu transportieren. Klare Kontraste und passende Effekte untermalen jede Szene – egal, ob Scott einen Haufen Kleingeld aufsammeln darf, wenn er mal wieder einen Ex besiegt hat, sich einen Pilz mit der Aufschrift „1 up“ greift, um ein Leben zu bekommen oder die Blicke seiner Freundin Knives tatsächlich fast Pfeile verschießen, wenn mal wieder Konkurrentin Ramona ins Bild tritt. Keiner dieser Effekte ist Selbstzweck. Jeder erfüllt seinen Teil, um die Geschichte und die Charaktere voranzubringen. Von den großartigen Dialogen mal ganz zu schweigen.
Effektmäßig zeigte Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt so 2010 schon sehr gut, auf was sich das Publikum in den folgenden Jahren im Kino einstellen konnte. Computereffekte vermischen sich mit echten Schauspielern, Scotts Welt wirkt im besten Sinn wie ein zum Leben erwachtes Computerspiel. Ein paar Jahre vorher wäre das zum reinen Feuerwerk verkommen. Ein paar Jahre später war der Stil des Films schon Alltag. Und das Schöne ist, Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt ist mehr als nur coole Effekte, treibende Musik und Humor. Wer einen Blick hinter den Effektevorhang wagt, findet eine sehr tiefsinnige Geschichte.
Wir haben alle unsere Leichen im Keller
Wie jede gute Erzählung funktioniert Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt nämlich nicht nur als eigenständige Geschichte sondern auch als Metapher. Dass Edgar Wright Subtext mag, hat er auch in Filmen wie Shaun of the Dead und The World´s End bewiesen. In Scott Pilgrim geht es um die Geister der Vergangenheit, die jeder besiegen muss, der jenseits seiner Teenagerzeit eine vernünftige Beziehung haben möchte. Oder, wie Ramona es ausdrückt: „Wir haben alle unsere Leichen im Keller, auch Du, Scott.“ Gut – aber zumindest wollen seine der neuen Freundin nicht ans Leder.
Jeder Ex stellt dabei auch eine Unsicherheit dar, die Scott überwinden muss, um endlich erwachsen zu werden. Der eine Ex lässt sich durch Schläue besiegen, der andere durch Hartnäckigkeit. Bei ein paar hilft Ramona sogar mit. Deshalb ist es auch wichtig, dass er seinen Endboss nicht mit der Kraft der Liebe, sondern mit der der Selbstachtung besiegt. Spätestens an dieser Stelle wird dann auch klar, dass das Computerspiel zwar sehr wohl als Metapher für Scotts Leben gemeint ist, aber keinen Dauerzustand darstellen kann. Denn wenn Scott am Ende mit Ramona (oder mit seiner alten Freundin Knives – wie der Zuschauer in einem alternativen Ende sehen kann) durch die finale Tür des Film tritt, verlässt er damit auch sein eigenes Spiel und muss seinen weiteren Weg ohne Extraleben und Spezialmoves bestehen.
Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt ist auf DVD und Blu-Ray im Verleih von Universal Pictures erschienen.
Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (Scott Pilgrim vs. the World)
Regie: Edgar Wright
Drehbuch: Edgar Wright, Michael Bacall, Bryan Lee O’Malley
Cast: Michael Cera, Mary Elizabeth Winstead, Kieran Culkin, Alison Pill,
Mark Webber, Anna Kendrick
Verleih: Universal Pictures
FSK: 12
Laufzeit: 112 Minuten
Erscheinungsdatum: 2010