Look East For Great Films!

In überraschender Weise sechs Kategorien werden die Leistungen osteuropäischer Filmschaffender beim LET‘S CEE Film Festival 2015 prämiert. Die Festivalleistung kreiert spontan einen zusätzlichen Preis für das beste Schauspiel wegen der außergewöhnlichen Leistung der iranischen Schauspielerin Fatemeh Motamed-Arya in ihrer Rolle im aserbaidschanischen Film Nabat.

Urania Awards
Urania Awards

…and the winner is…

Die vielfach ausgezeichnete Fatemeh Motamed-Arya konnte nicht nur auf der Leinwand beobachtet werden, sondern stand auch in einem Publikumsgespräch Rede und Antwort. In dem Festivalbeitrag Nabat schlüpft sie in die titelgebende Rolle einer einfachen Bäuerin, die ihren Sohn im Bergkarabachkrieg verliert. Während die Kämpfe näherrücken, verweilt sie im durch Flucht wie leergefegten Dorf mit ihrem sterbenden Mann.

Im Spielfilmwettbewerb, kuratiert vom polnischen Filmkritiker Tomasz Raczek, überzeugt die Jury der kroatische Beitrag Ti mene nosiš (You carry me). Im Milieu einer Soap Opera-Produktion wird das Porträt dreier Generationen von Frauen und deren Umgang und Konfrontation mit der jüngsten Geschichte des Landes gezeichnet.

Im Dokumentarfilmwettbewerb gewann die polnisch-deutsche Ko-Produktion Królowa ciszy (The Queen of Silence). Die polnische Regisseurin Agnieszka Zwiefka erzählt die Geschichte einer jungen stummen Roma, die zur Ko-Regisseurin wurde und drei Jahre eng mit Zwiefka zusammenarbeitete. Die harten Realitäten werden durch inszenierte Bollywood-Tanzeinlagen kontrastiert und das Kino wird erneut zur Traumfabrik.

Im Promising Debut-Wettbewerb setzt sich der ungarische Spielfilm Van valami furcsa és megmagyarázhatatlan (For Some Inexplicable Reason) durch. Realisator des Films, Gabor Reisz, führte Regie, schrieb das Drehbuch, komponierte die Filmmusik und führte die Kamera. Der Film erzählt eine verspätete Coming-of-Age-Geschichte der Generation der verlängerten Adoleszenz – mal pseudo-dokumentarisch, mal verspielt träumerisch.

The Same Blood wird im Kurzfilmwettbewerb prämiert. In diesem Beitrag treffen die Welten zweier Brüder beinhart aufeinander – eine Momentaufnahme der zeitgenössischen weißrussischen Gesellschaft zwischen militanter Demonstrationskultur und mittelständischer Lebensplanung.

Das Publikum entscheidet sich schließlich für den rumänischen Western Aferim!. Der Film entführt das Publikum in den wilden Westen Rumäniens, in die Walachei. In malerischen Totalen entsteht ein Guckkasten in die Vergangenheit. Auf der Suche nach einem Roma-Sklaven begegnen zwei Gesetzeshüter den unterschiedlichen Klassen einer patriarchalen Gesellschaft, die von Gewalt und Hörigkeit geprägt ist. Gleichzeitig wird eine besondere Vater-Sohn-Beziehung entwickelt. Das Außergewöhnliche an diesem Film ist das Kontextualisieren von historischen Dokumenten, alten Sprichwörtern, Märchen und literarischen Werken, die bis heute die Identität und Mentalität Rumäniens beeinflussen.

Last but not least gewann Želimir Žilnik bereits am Eröffnungsabend den Stern der Urania und so den Lifetime Achievement Award 2015. Žilniks Festivalbeitrag Logbook Serbistan wird lobend in der Dokumentarfilmrubrik erwähnt. In seinen Filmen sucht er ProtagonistInnen in ländlichen Regionen, deren Geschichten etwas über Menschlichkeit an sich vermitteln. Sein Werk ist zwar in Westeuropa immer noch weitgehend unbekannt, allerdings macht insbesondere seine Pionierarbeit im Genre Doku-Drama das Werk global bedeutend.

Und sonst…

Viele lobende Erwähnungen könnte man in den verschiedenen Rubriken anführen, doch ein Filmemacher erscheint als Ausnahmetalent. Der ungarische Regisseur Károly Ujj Mészáros produziert seit 2003 Kurzfilme und schafft mit Liza, a rókatündér (Liza, the Fox-Fairy) ein sehr spätes Spielfilmdebüt. Dabei entsteht ein in sich geschlossenens filmisches Universum, in dem japanische und ungarische Kultur humoristisch aufeinandertreffen. Verspielt, skurril und liebevoll bis ins letzte Detail überzeugt diese Geschichte mit politischem Biss, in der sich Hoffnungen und Realitäten der Umwälzungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs spiegeln.

weitere Links:

Let’s Cee Film Festival

Želimir Žilnik – IMDb

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