Jagen, sammeln und drängeln: Vienna Comix

Wenn man zur Vienna Comix geht sollte man gut vorbereitet sein. Mit einem Plan und keinerlei Berührungsängsten hinzugehen kann nicht schaden, wenn man von einem erfolgreiches Messen-Erlebnis berichten will. Was passiert, wenn Vintage Comics auf kawaii Furries treffen? Wir finden es heraus.

Wenn man zur Vienna Comix geht, sollte man gut vorbereitet sein. Mit einem Plan und keinerlei Berührungsängsten hinzugehen kann nicht schaden, wenn man von einem erfolgreichen Messen-Erlebnis berichten will. Was passiert, wenn Vintage Comics auf kawaii Furries treffen? Wir finden es heraus.

Ein Samstag unter Nerds

Freitagnachmittag. Mittlerweile trinke ich den dritten Kaffee des Tages. Am Laptop sind Tabs diverser Social Media-Seiten offen. Ich klicke mich durch Events und die einen oder anderen Stadtkarten, die sich sicher gut auf meiner Zimmerwand machen würden. Neben mir sprechen die Kolleg_innen über das bevorstehende Wochenende. Sie machen am Wochenende etwas, das sich liebevoll „team building“ nennt. „Gibt’s dort auch Alkohol?“, wird in den Raum gefragt. Lachen. Die, die nicht beim team building sind werden sporteln, oder feiern. Manche gehen zu einem schwedischen Möbelkaufhaus. Die ganz übliche Wochenendschiene also. „Und du? Was machst du am Wochenende?“, werde ich gefragt. „Ich geh am Samstag zur Comicmesse.“ Diesmal schallt kein allgemeines Lachen durch den Raum, nur interessierte Blicke treffen mich. Die einen können nichts damit anfangen, die anderen kennen mich und meine Interessen schon ein bisschen und nicken mir fröhlich zu. Schön, wenn man akzeptiert wird. Auch schön, wenn man Unwissenden nicht allzu viel erklären muss. Lächelnd spaziere ich am Ende des Arbeitstages zum Bahnhof und plane den kommenden Tag in meinem Kopf. Zugegeben – das wird nicht mein erstes Mal bei der Vienna Comix sein, und aus Erfahrung kann ich sagen – immer gut, mit einem groben Plan, bzw. einer To-Do/To Buy-List hinzugehen.

Am Samstag gehe ich, Arm in Arm mit drei meiner liebsten Nerds, zur besagten Vienna Comix. Sie findet zweimal jährlich, bisher in der MGC-Halle im 3. Wiener Gemeindebezirk (ab Herbst 2015 in der Karl Marx-Halle) statt und wie einer meiner Freunde so schön sagt: „Einmal im Jahr kann man sich das schon geben“. Wir treffen uns am Samstag eine halbe Stunde vor Einlass um langes Anstehen zu vermeiden. Einer meiner Freunde möchte sich gern seinen Walking Dead-Comic signieren lassen – Charlie Adlard, britischer Comic-Zeichner und großer Name in der Branche, ist schließlich zu Besuch und wird für Zeichnungen und Autogramme zur Verfügung stehen.
Begrüßt werden wir, so wie es sich gehört, von einer Warteschlange vor der MGC-Halle. Warten, das ist etwas, was wir können, oder eigentlich können müssen. Wir stehen geduldig an, während der Wind uns „fröhlich“ um die Ohren bläst. (Kalt ist es. Verdammter April!) Gemeinsam mit uns warten Familien mit Kindern, die das Ausharren in der Kälte mit ihrem Geplärr und Gehüpfe nicht gerade lustiger machen („Mama, noch 12 Schritte und ihr habt es geschafft! Papa! 12 Schritte! Schau!“). Außerdem in der Schlange: Die einen oder anderen Kostümierten und ein paar, die nicht so aussehen, als würden sie wissen, worauf sie sich jetzt einlassen. Zur Begrüßung gibt es einen Papageien-Stempel auf’s Handgelenk, ein paar Gratis-Stifte und ein Sackerl mit Flyern – es kann losgehen!

Was soll es heute sein? Manga, SciFi, Fantasy, Vintage oder Classic?

Als wir es endlich in die Halle schaffen, fällt mir erst wieder ein, wie anstrengend mir diese Messe während meinen letzten beiden Besuchen vorkam. Und, *bitte Klischee-Kommentar über das Alter hier einfügen*, wie sehr mir mein Rücken nach einigen Stunden zu schaffen gemacht hatte. Hier sollte vermutlich nicht unerwähnt bleiben, dass ich es nicht gerne mag, meinen Körper an Fremden zu reiben – was bei dem Gedränge in der Halle wohl oder übel zu fiesen Verrenkungen führt, die für den Rücken wohl nicht die beste Therapie sind. Ich bin dennoch guter Dinge. Natürlich: herumkramen und lustigen Kitsch zu entdecken gehört schließlich zu einem großartigen Samstagszeitvertreib!

Ich bin dieses Mal mit Mission gekommen: ich will mit einer neuen Graphic Novel nach Hause gehen und irgendetwas Nettes von der kleinen Katze Chi finden, was den Preisrahmen nicht komplett sprengen würde (Plushies werden durch dieses Kriterium wohl oder übel ausgeschlossen). Wir vier beginnen strategisch durchzuplanen, wohin wir wie, wann gehen wollen. Wir haben einen Notfallplan: „Falls wir uns verlieren, müssen wir uns halt anrufen. Dann treffen wir uns beim Eingang“. Mein Handyakku zeigt mit 89%, das sollte also funktionieren.
Sich hier zu verlieren ist nämlich gar nicht so unwahrscheinlich – das Flair erinnert an einen Flohmarkt, denn die vielen Verkaufsstände und -tische sind so eng aneinander gereiht, dass man sich meistens gar nicht so richtig umschauen kann, da schon hunderte andere Augenpaare darauf warten ihre Blicke auf alte Pokémon-Karten oder Überraschungsei-Figuren zu fixieren. Der kleine, aber feine Unterschied zu klassischen Flohmärkten: wir suchen nicht nach Vintage-Handtaschen, sondern suchen ganz einfach nach Nerd-Kram, und da hat jede_r andere Interessen.

Für die Vintage-Nerds gibt es alte Lucky Lukes, gut erhaltene NES-Konsolen und sogar alte VHS-Kassetten von Star Wars. Die Vintage-Nerds können auf der Comix ihre eigenen Comic-Sammlungen auf ihren Wert schätzen lassen.
Was ich hier finde?  Halb volle Stickerhefte von König der Löwen und Aristocats, die mir wieder in meine Erinnerung gerufen werden (die müssen doch noch irgendwo im elterlichen Dachboden in einer Kiste liegen?).

Für Familien- und Durchschnitts-Nerds gibt es wunderbare Comic-Shirts, Minecraft-Legofiguren und bereits hundertmal durchblätterte Lösungshefte für Pokémon Blattgrün.
Was ich hier finde?  Ein neues Shirt – Wonder Woman, Supergirl und Batgirl. Femme Power!

Für Graphic Novel-Fanatiker_innen gibt es Stände von wunderbaren Läden mit wahnsinnig guter Graphic Novel-Beratung (in diesem Sinne – danke ihr lieben Menschen von pictopia!). Auch ganz neue Künstler_innen stellen sich hier vor und zeichnen gerne eine Kostprobe für uns Zuschauer_innen.
Was ich hier finde?  Das „neue“ Schmuckstück von Bryan Lee O’Malley: Seconds. (2014, Ballatine Books). Und etwas Eifersucht gegenüber den vielen Zeichner_innen, da ich selbst so gar nicht zeichnen kann…

Für die Manga-Nerds gibt es nicht nur Mangas. Da gibt es viele Stände, wo Künstler_innen ihren selbst gebastelten, entzückenden Fimo-Schmuck verkaufen, außerdem viele Plushies und noch viel mehr Accessoires für das nächste Cosplay.
Was ich hier finde?  Endlich – eine Katze Chi! Eine kleine Figur, die mich gerade mal 2 Euro gekostet hat.

Für die Fantasy-Nerds gibt es Lego-Herr der Ringe-Schachbretter, das Schwert von Eddard Stark und Steampunk-Elfen-Öhrchen.
Was ich hier finde?  Eine Harry Potter-Wundertüte (in der sich eine Kette mit einem Schnatz befand).

Für die SciFi-Nerds gibt es Doctor Who-Duschvorhänge und wunderbare Cross-Over-Comics, wo Mister Spock auf Han Solo trifft.
Was ich hier finde?  Ein When is the Doctor-Buch, ganz im Stil von Where is Waldo?, das ich weiterschenke.

Für die Klassischen Nerds gibt es nagelneue und alte Justice League-Comics, Hulk-Fäuste und Spiderman-Masken.
Was ich hier finde?  Ein Batman & Robin-Comic mit einem Harry Potter-esken Cover. (Double-Win!)

 

Zum Abschluss eine Prise Kawaii

Wir gehen nach einigen Stunden etwas erschöpft nach draußen. Mittlerweile scheint die Sonne durch die Wolken und wir stehen auf dem Parkplatz vor der Halle, um uns herum viele Cosplayer_innen, die sich gerade für eine Kamera in ihre Posen setzen – eine der Harley Quinns lässt ihren riesigen Hammer durch die Luft schwingen und die Mangafiguren (die ich ehrlicherweise nicht beim Namen nennen kann), lassen ihre Schwerter aufblitzen.
Und dann kommen sie: die Furries. „Etwas mehr Stimmung! Die Furries sind da!“, ruft der Kameramann, während sich eine Ziege, eine Fledermaus, ein Wolf und ein Dachs durch die Menge tummeln. Kreischen und Knuddeln ist die Devise. (Anm.: Furries – das sind diese Menschen in Tierkostümen, die keiner so richtig zuordnen kann. Aber sie sind immer da und sie sind immer kuschelig und man darf sie immer umarmen. Also yay?!)
Wir schauen von Weitem zu und grinsen. Unsere früher noch leeren Sackerl sind mittlerweile gut gefüllt – und wir haben nicht nur Dinge für uns selbst, sondern auch ein paar Geschenke ergattert. Meine Mission, die ich zu Beginn hatte, habe ich über-erfüllt: ich habe mehr Geld ausgegeben, als ursprünglich geplant war. Aber: einmal im Jahr, da darf man das.
Auch ein Autogramm von Charlie Adlard hat sich einer meiner Freunde ergattert – mit persönlicher Signatur. Als wir gerade zur U-Bahn wandern wollen, wird es wieder laut in der bunten Gruppe hinter uns. „Kawaiiiiii“, kreischen die Cosplayer_innen und blicken an uns vorbei. Und dann sehen es auch wir: Totoro ist da. Totoro ist ENDLICH da!

 

+++ Links +++
Vienna Comix: http://viennacomix.at
Charlie Adlard: http://www.charlieadlard.com
Pictopa Graphic Novels: http://www.pictopia.at

Fotos:
Kathrin Schönfelder

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