Dreißig Jahre nach Blade Runner wird (vielleicht aus Mangel an eigenen Ideen) auch hier noch mal die Nostalgiekeule geschwungen. Glücklicherweise hat man mit Denis Villeneuve einen unglaublich talentierten Filmemacher an Land gezogen, der auch aus einem mittelmäßigen Drehbuch noch einen kurzweiligen Film mit epischen Bildern macht. Mehr ist Blade Runner 2049 nicht, aber für mich ist das okay.
Es ist schon ein bisschen nervig manchmal, dass der Industrie wirklich gar nichts mehr heilig ist, oder Filmemacher wie Danny Boyle einfach irgendwie an einem ihrer Meisterwerke hängen. Manchmal will man etwas wiederbeleben, das man liebt, manchmal will man gucken, was man aus der Kult- und Fanliebe noch so finanziell rausholen kann. Im Fall von Blade Runner 2049 gibt es eigentlich kaum Diskussionen, welcher Kategorie dieses Revival angehört ($$$). Der arme Harrison Ford wird permanent über die Leinwand gezerrt, weil die Leute ihn halt sehen wollen. Er holt sich den Paycheck ab, sicher kein trauriger Tag fürs Bankkonto.
Eine Bildwelt epischen Ausmaßes
Der Film selbst, unabhängig von seiner Notwendigkeit, ist ein guter Film. Meiner Meinung nach sogar ein großartiger Film. Allerdings nur, weil es für mich zum Medium auch gehört, durch einen Film auf rein audiovisueller Ebene getragen zu werden. Ich habe mich gefühlt, als würde ich 3 Stunden durch eine Performance-Art-Galerie spazieren. Die weiten Bilder der dystopischen Landschaft, die meist komplett entsättigt, manchmal gelb, manchmal in Neon getaucht sind und ab und zu grünlich schimmern, wirken die meiste Zeit, als wäre man unter Wasser. Über alles legt sich ein mysteriöser Nebelschleier, der zur bedrückenden Grundstimmung beiträgt. Im Gegensatz dazu sticht das Interieur von Behörden und Firmen mit sterilem Weiß und klaren Strukturen heraus und wird zum feuchten Traum für Innenarchitekten.
Klang-Teppich und Meditation
Das Sounddesign bettet die atemberaubenden Bilder von Roger Deakins (einem der großartigsten Kameramänner) in einen unheimlichen Teppich aus zirpen, piepen, klirren, brummen, summen und einer guten Version von Transformers-Dröhnen. Der generische Hans Zimmer Copy-Paste-Soundtrack hingegen dümpelt hübsch aber unmotiviert im Hintergrund. All diese Komponenten vermischen sich zu einem langen, aber nicht langweiligen, Aufenthalt in einer (vielleicht nicht so) fernen Welt, der mir ein Hochgefühl wie selten gegeben hat, einfach, weil ich zumindest optisch etwas neues gesehen habe.
Blade Runner 2049 ist keine Actionschlacht. Der Film ist langsam, stellenweise fast statisch. Er ist ruhig, er ist entschleunigt und saugt gerade deshalb das Publikum förmlich durch die Leinwand ein in diese Welt. Das wirkt schon deshalb so besonders, weil man inzwischen auf schnelle, hektische desorientierende Schnitte konditioniert ist. Wenn dann plötzlich eine Einstellung ein bisschen länger dauert, kann es ein schmaler Grad sein, zwischen Langeweile und meditativem Zustand. Für mich war es letzteres.
Irgendwas mit Harrison Ford und Robotern
So sehr mir das reicht für eine bestimmte Art von Film, so deutlich muss ich auch sagen, dass das Drehbuch der große Schwachpunkt dieses so episch angelegten Films ist. Villeneuve hat wirklich alles rausgeholt, was möglich war. Ryan Gosling spielt Ryan Gosling, das klappt gut und manchmal ist es sogar erfrischend und überraschend, denn er trägt „K“s Gefühlswelt sehr gut nach außen. Nichtsdestotrotz ist er als Schauspieler in dieser Rolle so austauschbar wie nie.
Ein Großteil der Kommunikation findet ohne Worte, sondern rein durch Blicke statt. Schauen wir den Figuren eben mal eine Zeit lang ins Gesicht, auch okay, das begrüße ich sogar oft. Leider wirkt ein Großteil der Szenen völlig zusammenhangslos, fast episodenhaft. Es werden viele Themen angeschnitten, die allerdings nur vereinzelt weitergeführt werden. Interessante Plotpoints werden einfach liegen gelassen, weil man sich eben in seiner Langsamkeit suhlt. Auch die Hauptstory hat wenig von der Dynamik von Philip K. Dicks Vorlage oder dem Originalfilm. Vielmehr dümpelt es vom Vorhersehbaren zum Obsoleten.
Wer hier so wirklich der Bösewicht ist, kann man eigentlich nicht richtig klären, aber sagen wir mal, es ist Jared Letos Niander Wallace, der das neue Androiden Imperium aufgebaut hat. Er ist nicht mal annähernd mit Rudger Hauers Roy Batty zu vergleichen. Das ist aber nicht seine Schuld, er tut schon was er kann und er macht es eh gut. Es fehlt der Figur eher an Relevanz und Tiefe, als an Schauspielkunst. Harrison Ford ist da, damit man den Film gut vermarkten kann und er macht das auch super, obwohl er eher inhaltliche Wichtigkeit hat, als das er wirklich auf der Leinwand gebraucht würde.
Mir wurde gesagt, feministische Kritik sei hier fehl am Platz, aber das ist sie nie und solange man etwas dazu sagen muss, werde ich es tun. Alle Frauen sind böse, Sextoys oder in Ryan verliebt. Hauptsachen Brüste sind im Bild. Das ist tatsächlich ein bisschen schade, denn es ist nochmal ein deutlicher Rückschritt zu Rachel und Pris, die auch schon vor 30 Jahren als „Objekte“ inszeniert wurden. Sie hatten aber zumindest Tiefe und Charakter im Gegensatz zu Joi und Luv (I mean, come on, Joi und Luv?).
Einzig Carla Juri als Dr. Ana Stelline macht nicht nur einen hervorragenden Job, sondern ist weder auf „K“ fixiert, noch verliebt, noch böse, sondern existiert irgendwie ein bisschen außerhalb der Szenerie. Immerhin.
Auch wenn meiner Meinung nach inhaltlich wirklich gar nichts weiter geht bei Blade Runner 2049, hatte ich Glücksgefühle, als ich ihn gesehen habe. Weil ich Scifi und Near-Future-Dystopien liebe, aber vor allem weil ich mich nicht an den Bildern dieser wundersamen fremden Welt satt sehen konnte. Und das reicht mir einfach auch.
Blade Runner 2049
R: Denis Villeneuve
D: Hampton Fancher, Micheal Green
C: Ryan Gosling, Ana de Armas, Harrison Ford, Jared Leto, Sylvia Hoeks, Robin Wright, Dave Bautista
163 Minuten, FSK 12., bereits gestartet
Es lohnt sich übrigens, die 3 Kurzfilme anzusehen!