Wettbewerbe – International, Konfrontationen und Green Film
Das 32. Internationale Kurzfilmfestival Berlin versammelte rund 600 Kurzfilme, kürte Gewinner in sechs Wettbewerben und präsentiert in über 50 Programmen den Kurzfilm in seiner facettenreichen Fülle. In 10 Berliner Spielstätten wurde vom 14.11 – 20.11.2016 der Kurzfilm zelebriert. Der internationale Wettbewerb zeigt 71 Filme in 8 thematischen Programmen. Sie konkurrierten um 4 Preise. Der Konfrontationen Wettbewerb bot dem politischen Kino eine Schiene. Zwei Preise wurden für Filme gegen Gewalt und Intoleranz von der Bundeszentrale für politische Bildung gestiftet. In der Green Film Competition zeigten zwei Programme Filme, die das Verhältnis von Mensch und Natur thematisieren und die Auswirkungen der Umweltzerstörung und des Artensterbens visualisieren. Im deutschen Wettbewerb werden 19 Filme in drei Programmen präsentiert. Beim Dokumentarfilm durfte das Publikum entscheiden, welcher der zwanzig Filme den Preis verdient. Zwei Länderschwerpunkte brachten das Filmschaffen aus China und Italien näher. Hierbei wurde der traditionsreichen Geschichte des Animationsfilms beider Länder je ein eigenes Programm gewidmet. Auch in Sachen des hauseigenen Verleihs konnte sich der Festivalbesucher ein Bild machen. Die Betreiber stellten Highlights des rund 350 Filme großen Katalogs im Programm Introducing: interfilm Distribution zusammen. Der Verleih bietet Vorfilm-Abos für Kinos, stellt Kurzfilmprogramme thematisch für verschiedene Institutionen wie Vereine und Schulen zusammen und verleiht Kurzfilme auch an Festivals.
Der Hauptpreis des internationalen Wettbewerbs für den besten Kurzfilm gewann die französisch-italienische Koproduktion Il Silenzio. Die junge Protagonistin soll ihrer Mutter eine ernste Diagnose übersetzen, doch sie bekommt kein Wort über die Lippen. Die besondere Problematik der Situation entfaltet der Film in ruhigen Einstellungen und einem langsamen Erzähltempo. Dabei entsteht Spannung durch Lücken: Wird sie ihr Schweigen brechen können? Wo ist der Vater? Wer sind diese beiden Menschen eigentlich? Wir begegnen ihnen in einem intimen Moment und in einem Ausnahmezustand, der für sich steht und trotz seiner Besonderheit auch eigene persönliche Erinnerungen weckt. Il Silenzio überzeugt dadurch so Emotionen Tiefe zu verliehen und gleichzeitig große politische Themen an ein nachvollziehbares Einzelschicksal zu knüpfen.
Extended Vison – Courant, eine Villa mit Pinien und die Zukunft des VR
Das interfilm bot nicht nur konventionelles Kino, sondern auch außergewöhnliche Programme in der Rubrik Extended Vision. Im neueröffneten Zeiss Großplanetarium Berlin wurde die 360° Kuppel mit Virtual Reality-Filmen bespielt. Das französische Courant 3D Filmfestval gastierte und präsentierte zudem einige Highlights. Das in Angoulême stattfindende Festival gibt VR und 3D-Film eine in Europa einmalige künstlerisch orientierte Plattform. Die Highlights nahmen die Zuschauer beispielsweise mit auf die Abenteuer von Captain 3D (R: Victor Haegelin), ließen sie orientierungslos in dem Kosmos vom schottischen Beitrag Navigation (R: Iain Gardner) und luden zum Schluss in eine Villa mit Pinien. Gelungene Hommage, atemberaubendes Spektakel und verzaubernde Welten des Immersionskinos brachten 3D-Filme neben den Blockbuster-Eliten zum Vorschein.
Besonders hat eine Villa mit Pinien beeindruckt. Jan Koesters Film überzeugt durch sein Detailreichtum, seine komplexe Machart, seine liebenswerten Charaktere und seine verwunschene Atmosphäre. Der Film gewann übrigens den ARTE-Kurzfilmpreis beim 32. KurzFilmFestival Hamburg. Beim interfilm sind der Regisseur und das halbe Team anwesend. In feierlicher Atmosphäre wird deutlich, dass in diesen knapp 13 Minuten viel Zeit, Schweiß und vor allem Liebe steckt. Gefilmt wurde in Live-Action. Es wurde animiert und nicht zuletzt unaufhörlich gemalt. Der jahrelange Produktionsprozess hat sich gelohnt für eine berauschende Meditation über Sucht und ihre Überwindung.
In einer Lecture zum Thema VR stellte man sich die Frage Virtual Reality: A New Short Film Format? Eine persönliche Meinung dazu konnte man sich in VR-Sessions bilden, allerdings lässt sich diese Frage nicht zuletzt durch die Möglichkeit der Finanzierung und somit der Frage nach einem möglichen Markt klären. VR braucht neue Vertriebswege wie Steam oder VR-„Bars“ um ein Publikum zu finden. Das diesjährige Weihnachtsgeschäft könnte ein entscheidender Wegweiser für Investoren sein. Storytelling in VR steht vor großen Herausforderungen insbesondere dem 360°-Filmen und der gelungenen Immersion durch 3D-Sound. Interessant werden VR-Filme auch für kleinere Budgets mit den aktuellen konsumentenorientierten Neuerungen auf dem Markt. Die Zukunft des VR-Films ist ungewiss, aber I, Phillip (R: Pierre Zandrowicz) gibt einen ersten Eindruck des Potenzials dieser neuen Technik, von der manche Filmemacher schon eine ganz neue Ära des Filmemachens wie eins mit dem Beginn des Tonfilms eingeläutet sehen.
Zu Gast und die 19. Eject– Die lange Nacht des abwegigen Films
Auch bei der diesjährigen Script Pitch Competition werden sowohl VR (Giovanni Rubino) und als auch Full Dome (Annette Seipp) von Filmemachern als angestrebte Präsentationsform gewählt. Zu Gast beim interfilm waren nicht nur rund 300 internationale Filmschaffende, sondern auch weitere Festivals, die Teile ihres Programmes präsentieren: Beispielsweise zu sehen waren Highlights of Zebra Poetry Film Festival Münster/Berlin. Es gastierte das CineMare mit dem Best of International Ocean Film Festival Kiel, und Cuban Shorts wurden in Kooperation mit dem Film Festival Cottbus projiziert.
Kurioses und obszönes Kinovergnügen prämierte nun das 19. Mal Eject – Die lange Nacht des abwegigen Films. Der Gewinner dieses im wörtlichen Sinne spektakulärsten Abends dieser Kurzfilmwoche kam aus Österreich. Daniel Moshels Beitrag Metube 2 – August sings Camina Burana eröffnet diesen Abend und gewann auch den vom Publikum in hartem Auswahlverfahren verliehenen Preis. Das wundert nicht, da der Film außergewöhnlich frivol mit Genderkonventionen spielt, Erwartungen übertrifft und die Grenze des sogenannten guten Geschmacks sprengt. Das Publikum jauchzt und tanzt. Spätestens von diesem Screening an ist Metube 2 Kult. Die Eject ist eine schwer zu beschreibende Kurzfilmburleske. Skurrile, obszöne und extreme Filme werden im Rahmen eines Comedy-Showformats präsentiert, dass die Zuschauer insbesondere das Filmkunstpublikum mit den üblichen Kinokonventionen zu brechen zwingt. Krach, Lärmen, Jodeln und jede andere Äußerung emotionaler Beteiligung wird nicht nur begrüßt, sondern verlangt. Mit Effektbrillen, Klatschhilfen, Süßigkeiten und dem meist alkoholisch gefüllten Trinkbecher darf sich der Zuschauer in einen mehrstündigen kaleidoskopischen Rausch der Sinne und des Unsinnes versetzen.
Alle Infos rund ums Festival und seiner Gewinner und Gewinnerfilme findet Ihr auf der Website des interfilms!
Links
http://www.interfilm.de/festival2016/awards-and-winners.html
http://www.interfilm.de/festival2016/home.html
http://www.interfilm.de/festival2016/fokus-italien-china.html
http://www.interfilm.de/festival2016/wettbewerbe/green-film-award/green-film-online-award.html
http://www.interfilm.de/festival2016/jurys/konfrontationen-online-award.html
http://www.interfilm.de/festival2016/extended-vision.html
http://www.courant3d-filmfest.com/Courant3D/en/index.html#one
http://jankoester.com/Eine-Villa-mit-Pinien-1
http://creative.arte.tv/de/folge/i-philip
http://www.interfilm.de/festival2016/interforum/script-pitch.html
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