Me before You – Live boldly.

© 2016 Warner Bros. Ent. Inc

Mit Me before You haben die Regisseurin Thea Sharrok und Autorin Jojo Moyes einen viel-diskutierten Liebesfilm erschaffen. Wie ein Feschak und ein Plappermäulchen die Liebe zu sich und zum Leben finden, dürft ihr bald auf der Leinwand sehen.

Es ist sehr schwierig, diesen Film als Ganzes zu betrachten – wir dürfen für euch aufspalten und unterschiedliche Elemente des Liebesfilms bewerten.

Romantik: 7/10

Mädchen trifft Junge. Junge ist aufgrund eines Unfalls an einen Rollstuhl gebunden und wurde von seiner schönen Freundin verlassen – jetzt ist er, klarerweise, unglücklich. Mädchen wird von der Mutter des Jungen angestellt, um einfach für ihn da zu sein – nicht als Krankenschwester, sondern eher als (Seelen-)Pflegerin und „Gesellschaftsleisterin“, die ihn ablenken soll. Der Junge ist zu Beginn ruppig und unsympathisch, doch das Mädchen gibt nicht auf. Louisa „Lou“ Clark (Emilia Clarke) ist eine dieser Figuren, mit der sich „unsereins“ identifizieren kann. Sie ist auf der (doch relativ verzweifelten) Suche nach einem Job, um ihre Familie zu unterstützen, und wird durch diese neu-gefundene Herausforderung Tag für Tag frustrierter. Will Traynor (Sam Clafin) dazu ist einer dieser „mean rich boys“. Man kann man seine Grumpeligkeit verstehen, wir verstehen aber auch, dass Lou irgendwann einfach nicht mehr kann und mag, und freuen uns mit ihr, dass sie den Feschak mit der Zeit doch auftauen kann. Als sich der weit gereiste Will etwas öffnet, zeigt er Lou eine neue Welt – sie gehen in klassische Konzerte, und zum ersten Mal in ihrem Leben sieht sich die Frau mit ihm einen französischsprachigen Film mit Untertiteln an. Das Mädchen aus der Kleinstadt, mit dem sportfanatischen, unsympathischen Freund Patrick (Matthew Lewis), lernt erst durch den reichen Will die Welt außerhalb ihres Kaffs richtig kennen – und wird zu einem anderen Menschen. Uff. Klischee lass nach.
Das klingt jetzt alles ein bisschen gemeiner, als es sollte. Zugegeben, am Anfang wird man mit den beiden den Eigenheiten der ProtagonistInnen beschossen und kann nicht gleich eine Beziehung zu ihnen aufbauen (mit den Outfits von Lou kann ich ja zu Beginn sowieso nicht so viel anfangen…). Dann, in der zweiten Hälfte des Films bekommen sie die Tiefe und die Glaubhaftigkeit, um das Ende schon mit einem schweren Herzen und der einen oder anderen Träne zu schauen.

Emotionalität: 9/10

Sehr, sehr hoch. Es geht ja nicht nur um Liebe, sondern auch um die Herausforderung der Querschnittslähmung und allem voran um das Thema Sterbehilfe. Lou lauscht einem Gespräch von Wills Eltern (Janet Mcteer, Charles Dance) und erfährt, dass sich Will ein halbes Jahr gegeben hat, bis er sich in eine Sterbeklinik in die Schweiz bringen lassen will. Lou tut alles in ihrer Macht stehende, um ihm wieder Lebensfreude zu schenken – doch wie erfolgreich kann man jemanden den Wunsch nach dem Tod ausreden?
Während sich Pro-life-AnhängerInnen und Sterbehilfe-BefürworterInnen im Internet die Köpfe einschlagen, befindet sich das Kino-Publikum ebenfalls im Dilemma. In den beinahe zwei Stunden wünscht man sich nichts mehr, als dass Lou erfolgreiche „Lebensretterin“ sein wird, aber empfindet plötzlich eine gewisse Empathie für Will. Der Film lässt Raum für Reflexion – und Diskussion.

Britishness: 8/10

Wenn sich unsere Groß- und Eltern Rosamunde Pilcher wegen der Naturaufnahmen sehen, dann sehen wir Me before You, weil er so herrlich und wunderbar britisch ist.
Es regnet, oft und viel. Die kleine Stadt, das Anwesen und die Burg der Traynors – schmelz!
Außerdem gibt es viel Tee (sehr viel Tee), schöne Akzente, Pferderennen, Musik von Ed Sheeran und große Damenhüte auf einer Hochzeit. Dass es auch Szenen auf Mallorca und in Paris gibt, lassen wir mal so stehen.

Bonus: Combine all the Fandoms!

Ja, ich weiß eh, SchauspielerInnen sind nicht die Figuren. Aber bitte, lasst euch das auf der Zunge zergehen:
Es war einmal… Daenerys Targaryen (eh schon wissen – Game of Thrones), Tochter von John Bates (der eine von Downton Abbey), Schwester von Clara Oswald (Doctor Who), die, vielleicht nur mehr aus Gewohnheit, mit einem sehr unsympathischen Neville Longbottom (aus Harry Potter) liiert war, bis sie einen anfangs wieder unsympathischen, später liebevollen Finnick Odair (Hunger Games), Sohn von Tywin Lanister (wieder – Game of Thrones), trifft.
Be still, my fandom heart.

“You only get one life. It’s actually your duty to live it as fully as possible.”

Kurz: Me before You (dt.: Ein ganzes halbes Jahr) sollte man sich auf jeden Fall ansehen, wenn man einen besonderen Platz im Herzen für Liebesfilme einräumen kann. Selbst wenn der Film mit seinen Klischees spielt, so verlässt man den Kinosaal am Ende doch mit einem Gedankenwirbel im Kopf. Mit ihrem Debütfilm hat Thea Sharrok (früher vor allem im Theater tätig – unter anderem das Broadway-Stück Equus mit Daniel Radcliffe, 2008) gemeinsam mit der (Drehbuch)-Autorin Jojo Moyes einen Liebesfilm mit Tiefe gemacht, der uns zeigt, dass Verliebt-Sein nicht immer das Einfachste der Welt ist.

Ein ganzes halbes Jahr (Originaltitel: Me before You)
Regie: Thea Sharrok
Drehbuch und Buchvorlage: Jojo Moyes
Cast:  Sam Clafin, Emilia Clarke, Jenna Coleman, Charles Dance, Matthew Lewis, Janet McTeer u.a.
Länge: 110 Min.
FSK: 12
Kinostart: 24. Juni 2016

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