„My husband is no ordinary man“, oder: Wie Tarzan im Kongo die Sklaverei abschaffte

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Tarzan, von Autor Edgar Rice Burroughs für einen Pulp-Roman entwickelt, hat als Filmfigur eine beachtliche Karriere mit mehr als 100 Auftritten in der Titelrolle hinter sich. Spätestens als Disney den Dschungelkönig 1999 mit zu Phil Collins-Tunes trällernden Gorillas über bemooste Bäume surfen ließ, wäre es wohl an der Zeit gewesen zu sagen: Ja, es war schön, jetzt können wir es aber auch gut sein lassen. Doch dann kam Warner. Obwohl das Studio den Stoff in den 80ern mit Greystoke – The Legend of Tarzan Lord of the Apes schon einmal vermurkst hatte, wurde Regisseur David Yates (u.a. Harry Potter 5-8) für ein Sequel zur ursprünglichen Story engagiert. Das Ergebnis nennt sich The Legend of Tarzan und ist aus beunruhigend vielen Gründen in verstörendem Ausmaß missglückt.

Aber gehen wir geordnet vor – zuerst zum Inhalt. Tarzan (Alexander Skarsgård) hat sich mit seiner Frau Jane (Margot Robbie) gut in London eingelebt; bis auf die blonde Wallemähne sind alle Härchen ab und beim Teetrinken spreizt der ausgediente Anführer des Mangani-Affenclans mittlerweile löblich den kleinen Finger von der Tasse. Die kleinbürgerliche Idylle verpufft, als der belgische König Leopold ihn unverhofft in den Kongo einlädt, um dort royale Projekte zu inspizieren und danach – als Insider – den Berichterstatter für die englischen Landsleute zu geben. Trotz anfänglichen Zögerns sagt Tarzan zu und reist in seine alte Heimat, begleitet von Jane und dem amerikanischen Bürgerkriegsveteranen Dr. George Washington Williams (Samuel L. Jackson), der seinerseits Gerüchten um die Versklavung Einheimischer durch die Kolonialherren nachgehen will. Was die drei nicht wissen: Die Einladung wurde vom Bilderbuchschurken Leon Rom (Christoph Waltz) inszeniert, der im Gegenzug für die Auslieferung Tarzans an den Stammesführer Mbonga (Djimon Hounsou) die Erlaubnis erkaufen will, auf dessen Land Bodenschätze abzubauen. Tarzan und Williams entkommen beim ersten Kidnappingversuch, doch, Oh Schreck, Jane wird entführt – man macht sich auf zur Rettungsaktion.

Dass hier erstmals in einer Bearbeitung des Stoffs versucht wurde, den Kontext der Kolonialzeit mitzudenken, wäre eigentlich löblich anzumerken gewesen; an der reflektierten Umsetzung des Konzepts hapert es jedoch so gewaltig, dass die guten Ansätze schnell vergessen sind. Ein nicht zu übersehendes Manko des Films ist zunächst der unstimmige Cast. Skarsgård und Robbie wirken, als wären sie eigentlich am Set eines gering budgetierten Pride and Prejudice-Remakes; letztere hatte es zugegebenermaßen aber auch nicht leicht mit ihrer Rolle. Jane wird zum Ende hin eine so unwichtige Figur, dass ernsthaft gefragt werden darf, warum sie überhaupt noch da ist. Margot Robbie in den Credits als „underwritten female character“ anzugeben hätte es tatsächlich getan. Waltz spielt den charmanten Bösewicht lustlos wie immer und unspektakulär wie selten; spätestens als er drauf und dran ist, Mbonga in Zeitlupe mit einem Rosenkranz zu strangulieren (sprich, nach rund zwei Filmminuten) regte sich zumindest in mir das dringende Bedürfnis, zu gehen. Und Samuel L. Jackson? Der spielt seine Rolle aus The Hateful Eight noch einmal; cool gekleideter Bürgerkriegsveteran, diesmal aber zum belanglosen Sidekick degradiert.

Aus Solidarität mit den Schauspieler_innen muss angemerkt werden: Gegen dieses Script anzuspielen ist vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit. Es gibt ohnehin kaum Text zu sprechen, wenn aber doch mal jemand redet, wird mit rhetorischen Schmankerln á la „I don’t take the stairs, I usually take the curtains“ geworfen. Oder, mein Favorit aus dem Munde Janes: „A normal man can do the impossible to save the woman he loves. My husband is no ordinary man”. Welch umnachteter Schreiberling kann solch pathetischen Unfug fabrizieren? (Antwort: Adam Cozad und Craig Brewer). Independence Day 2 leuchtet im Gegensatz dazu plötzlich golden schimmernd am Horizont und erscheint wie eine gute Wahl für den Drehbuch-Oscar. Kein Scherz.

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Um aber zum größten Problem des Films zu kommen: Let’s talk about CGI. In dem Jahr, in dem The Jungle Book und – ja – Warcraft erschienen sind mit solchen Bildern anzukommen, ist gelinde gesagt mutig. Neben crappy animiertem Steppengras und dem obligatorisch unrealistischen Eisenbahndampf ist eines der Highlights ein blauer Schmetterling, der aussieht, als sei er direkt aus der Youll be in my Heart-Szene des von Hand animierten Disney-Streifens ins Bild geflattert. Für das optische Scheitern verantwortlich sind also in erster Linie – wenig überraschend – die Tiere. Weder Schmetterling noch headbumpende Löwen oder wütend auf den Boden trommelnde Manganis können aber mit dem für mich nach wie vor myteriösen Auftreten eines Babyelefanten mithalten, der trotz seiner fatal geringen Körpergröße von rund 40 cm (ja, 40 cm) fröhlich und vor allem überlebensfähig durch den Dschungel stapft. Ernsthaft: Es kann bei einem mit 180 Mio. Dollar budgetierten Blockbuster nicht zu viel verlangt sein, dass nachgeschlagen wird, wie groß ein Babyelefant ist. Wieso Tarzan außerdem nicht nur mit den Manganis sondern mit allen Tieren best buddy ist, erklärt uns das Produktionsteam gerne: Tarzan ist der „Spirit King“ der kongolesischen Fauna. Diesen Begriff habe ich mir nicht ausgedacht und er wird in The Legend of Tarzan in vollem Ernst verwendet. Keinerlei Ironie. Auch die wenigen gelungenen Landschaftsaufnahmen können am so entstehenden Gesamteindruck nichts mehr ändern.

Ein außerdem durch den Film evoziertes Phänomen: Das omnipräsente Gefühl, da müsse doch noch irgendetwas kommen. Anstatt aber wenigstens einen halbwegs vertretbaren Plot zu entwickeln, wird alles immer absurder (Achtung, es folgen massive Spoiler das Ende betreffend. Sie scheinen mir zur Rechtfertigung meiner Argumentation notwendig). Gegen Ende der Rettungsaktion wird es nämlich erst richtig spaßig. Mit Dr. Williams huckepack entert der Spirit King lianenschwingend einen fahrenden Zug; die Insassen – allesamt Schergen Roms – unterliegen dem blonden Recken, denn Tarzan kann zum Glück auch Mixed Martial Arts und kickboxt seine Gegner dem ihnen angemessenen Schicksal entgegen. Mit einer Armee von rund 300 Gnus und 4 Löwen (wieso für dieses Verhältnis entschieden wurde, bleibt des Regisseurs wohlbehütetes Geheimnis) invadiert Tarzan dann den Stützpunkt der Belgier und befreit nicht nur Jane, sondern auch die gesamte versklavte Zivilbevölkerung. Die Gnus erweisen sich dabei als besonders hilfreich, die schaffen es nämlich problemlos und unverletzt im Laufen mehrstöckige Häuser niederzureißen. It’s as simple as that. Sogar Christoph Waltz‘ Rosenkranz hat noch einen gloriosen Schlussauftritt und wird im finalen Zweikampf von Tarzans übermächtigen Halsmuskeln gesprengt. Wenn das nichts ist, was ist dann noch was. Zum Glück ist es danach aber auch vorbei.

All das, vom unstimmigen Cast bis zum abstrus überladenen Finale, hätte durch ein wenig Selbstironie vermutlich sogar verziehen werden können; es ist schlussendlich nicht die Aufgabe eines Sommerblockbusters, in abgründigem Realismus über die Verderbtheit des menschlichen Wesens zu sinnieren. Aber Kolonialismus und Sklaverei als Tränendrücker in einen Film zu installieren, der sich selbst um ein Vielfaches zu ernst nimmt und dabei, wo immer möglich, stümperhaft vereinfacht, ist schlicht pietätlos. Um meine Ausführungen trotzdem versöhnlich zu beenden, hier ein abschließendes Zugeständnis: Egal wie sehr Legend of Tarzan auch verpfuscht wurde, auf eine verquere Art und Weise ist der Film dennoch unterhaltsam. 110 Minuten lang war ich kontinuierlich peinlich berührt bis amüsiert, aber nie gelangweilt. Ich habe viel gelacht.

The Legend of Tarzan
Regie: David Yates
Drehbuch: Adam Cozad, Craig Brewer
Cast: Alexander Skarsgård, Margot Robbie, Christoph Waltz, Samuel L. Jackson
FSK: 12, Laufzeit: 110 Min. , Start: 28.07.2016

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