Maggie – Arnie of the Dead

Arnold Schwarzenegger gegen Zombies! Einfacher kann man einen Film kaum beschreiben. Warum Maggie nun doch nicht der Film ist, den sich jetzt alle darunter vorstellen, soll im Review geklärt werden.

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Arnold Schwarzenegger gegen Zombies! Einfacher kann man einen Film kaum beschreiben. Warum Maggie nun doch nicht der Film ist, den sich jetzt alle darunter vorstellen, soll im Review geklärt werden.

Maguerite beschließt zu sterben

Teenagerin Maggie (Abigail Breslin) wird mit dem Zombievirus infiziert, und flüchtet von Zuhause, um ihre Familie vor sich selbst zu schützen. Ihr Vater Wade (Arnold Schwarzenegger, bekannt als Governator und aus Pumping Iron*) sucht dennoch nach ihr und stöbert sie auf. Die Auflagen der Seuchenschutzbehörde sind klar: Das Virus verändert den Menschen langsam, es bleibt also genug Zeit, sich voneinander zu verabschieden. Nach den ersten Anzeichen aber muss die Tochter in Quarantäne gesteckt werden. Solang kommt Maggie mit auf die elterliche Farm. Während ihre jüngeren Geschwister zur Vorsicht weggeschickt werden, verbleibt sie ihre restliche Zeit in der Umgebung, und versucht mit sich, ihren Eltern und ihren FreundInnen ins Reine zu kommen. Währenddessen kämpft Wade damit, wie er mit dem baldigen Tod seiner Tochter umgehen soll. Seine Optionen werden ihm bald klar gemacht, doch wie wird er sich entscheiden? Und wie lang kann Maggie noch ein Mensch bleiben, und ihre dunklen Gelüste unter Kontrolle halten?

Der etwas andere Zombiefilm

Was bei dieser Inhaltsbeschreibung sofort auffällt, ist, dass es sich nicht wie der typische Zombiefilm anhört. Maggie ist ein Drama, welches in Sachen Intensität sogar die dramatische Breite von The Walking Dead überholen könnte. Es ist ein sehr langsamer und nuancierter Film. Hierbei merkt man auch gleich, dass es keine große Hollywoodproduktion, sondern ein Independent-Streifen, im Übrigen das Erstlingswerk des Regisseurs Henry Hobson, ist. Es gibt nur wenig Zombie-Action, überhaupt gibt es nur wenige Zombies im Film, keine Horden, wie wir es mittlerweile aus vielen anderen Filmen gewohnt sind. Der Schauplatz des Filmes ist eine einsame Farm inmitten einer weiten Ebene. Nicht nur erinnert der Schauplatz an das Setting des ersten Untoten-Zombiefilms, Night of the Living Dead, es zeigt auch, dass das geringe Budget des Filmes sehr gut genutzt wurde. Es braucht keine bombastischen Schauplätze oder Effekte, um einen guten, spannenden Horrorfilm zu machen. Und ja, auch wenn der Film vorwiegend ein Drama ist, so gibt es auch gut gemachte Horrorszenen, wie als Maggie ihre Lust an frischem Fleisch entwickelt.

Zombiefilme sind in ihren häufigsten Inkarnationen Spiegelbilder für die Gesellschaft, eine Kritik an den Konsum (Dawn of the Dead), die Klassengesellschaft (Land of the Dead), kriegerische Auseinandersetzungen (Survival of the Dead) oder eben auch Rassismus (Night of the Living Dead). Meistens werden diese plakativ in Szene gesetzt und werden durch ein paar wenige Szenen und Einstellungen im Film untermauert, vorrangig geht es ja um das Zombiegemetzel.

Maggie ist hierbei anders. Die Welt wird außer etwas Exposition zu Beginn gar nicht groß erklärt, die ZuschauerInnen werden hineingeworfen und sollen sich vieles durch die Bilder und Landschaftsaufnahmen zusammenreimen. Es wird auch nicht viel von dieser Welt gezeigt, da wir meist in der Umgebung der Farm bleiben. Was wir jedoch vorgesetzt bekommen, ist eine arg trostlose Welt: viele Ernten und Felder müssen verbrannt werden, um die Verbreitung gefährlicher Krankheitserreger zu unterbinden. Die Straßen sind dreckig und vermüllt, die Großstädte zum Teil Betonruinen. Hobson hat in einem Interview erklärt, dass er sich hierfür viele Aufnahmen und Bilder aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre angesehen hat, um diese Trostlosigkeit einzufangen.

Infizierte sind nicht gleich von der Gesellschaft ausgeschlossen, sondern werden weitestgehend integriert, mit ihnen kann gefeiert werden, oder auch zusammen gegessen. Dennoch gibt es wiederum Menschen, die ihnen nicht in die Nähe kommen wollen aus Angst, selbst infiziert zu werden. Auf Hygiene wird großen Wert gelegt, da kann einem schon mal der Appetit beim Anblick von Zombie-Bisswunden vergehen, oder rares Essen muss weggeworfen werden, weil Zombieblut auf dieselbe Platte getropft ist. Der Zombie wird hier nicht unbedingt als das Andere, als Feindbild, sondern als leidender Kranker porträtiert. Mit minimalen Einstellungen ist es den Filmemachern gelungen, auf tolle Weise eine schon fast postapokalyptische Welt darzustellen.

Der etwas andere Arnie

Abigail Breslin spielt hervorragend. Die ehemalige Oscar-Nominierte passt perfekt in die Rolle des Mädchens, das nicht sterben will, aber sich damit abfinden muss. Ebenso brilliert Joely Richardson als Stiefmutter Caroline, die alles andere als böse ist. Auch wenn sie eine Reihe von Emotionen durchmacht, sind ihre Handlungen und Entscheidungen im Film überaus rational und nachvollziehbar. Die größte Überraschung des Filmes ist aber Arnold Schwarzenegger. Der gealterte Action-Star ist in einer Rolle zu sehen, die wir noch nie von ihm gesehen haben: Ein gebrochener Mann ohne übermenschliche Stärke, der daran verzweifelt, dass er nicht seine gesamte Familie beschützen kann. Er zeigt Emotionen, und spielt ohne große Worte (Conan der Barbar und Terminator lassen grüßen), er überzeugt hauptsächlich mit seiner Gesichtsmimik. Und ja, seine Performance wird zu Recht gehyped – Schwarzenegger zeigt echtes schauspielerisches Talent, und ist wirklich in eine seiner besten Darbietungen seit Terminator 1, 2, Genisys (*ja gut, der ist heuer erst rausgekommen) und End of Days zu sehen. Es ist dadurch eigentlich eine Schande, dass dies der erste Film mit Schwarzenegger in der Hauptrolle ist, der im deutschsprachigen Raum nicht in die Kinos gekommen, sondern nur auf DVD oder BR erhältlich ist.

Ebenso hat Arnie keine großen Actionszenen, auch wenn die meisten Zombietode im Film auf sein Konto gehen. Großen symbolischen Wert hat über den gesamten Film seine Flinte, welche die Frage aufwirft, wie weit er schlussendlich zu gehen bereit ist. Dadurch, dass viel Wert auf seine Mimik gelegt wurde, hat sich auch die Kameraarbeit dem angepasst. Es gibt sehr viele Close-Ups, nicht nur auf die Gesichter, sondern auch auf Gegenstände. Oftmals versinken die Figuren ganz am Rand des Bildes oder schauen ins Unbekannte. Hobsons Bildästhetik besitzt einen eigenen Charme, und zeigt auch, wie verloren die Figuren im Film eigentlich sind.

Ein interessanter Aspekt ist, dass man diese Bildsprache aus keinem anderen Schwarzenegger-Film (oder auch generell Hollywoodfilmen) kennt. In dessen Hollywood-Produktionen sind Halbnahe oder Halbtotale die gängigsten Einstellungsgrößen, Nahe- und Detailaufnahmen sind eher eine Seltenheit. Ebenso wird viel Wert darauf gelegt, dass die Figuren eher in der Bildmitte gehalten werden, und nicht am Rand verloren gehen. Die Bilder strahlen eine Ruhe aus, fernab von jeder Hektik. Die Aufnahmen erinnern dabei an Filme von Terrence Malick, und der Soundtrack lässt einen an Clint Mansells Komposition „Death is the Road to Awe“ aus dem Film The Fountain denken.

Repetition in the Land of the Walking Dead

Es gibt aber auch den einen oder anderen Kritikpunkt zu äußern: manch einer könnte meinen, dass in der zweiten Hälfte die Handlung etwas repetitiv wird. Dadurch geht dem Film etwas die Luft aus, der Flow geht verloren. Es passiert ähnliches, wie in der zweiten Staffel von The Walking Dead, als sich die Gruppe Überlebender fast die ganze Staffel über auf einer abgelegenen Farm befindet. Neben den drei Hauptfiguren bleiben andere Personen etwas blass, und man ist nicht unbedingt dramatisch berührt von deren Schicksal. Ebenso hätte es noch mehr in die Tiefen gehen können, und das Innenleben von Maggie und Wade hätten noch mehr beleuchtet werden können. Vor allem die zu Beginn angekündigten vermehrten Anzeichen von Aggressionen bei Maggie bleiben aus, oder werden nicht wirklich behandelt.  Von daher nimmt das Ende einen zwar mit, jedoch nicht so sehr wie man meinen oder es sich wünschen würde. (Ich bin jemand, den das Ende von Terminator II innerlich wirklich zerreißt).

Verdikt: Arnold in Zombieland

Zwei Fehler kann man bei diesem Film machen: Erstens, ihn sich nicht anzusehen. Und zweitens, zu glauben, es wäre ein typischer Arnold-Actionfilm bzw. ein herkömmlicher Zombiefilm. Beides ist falsch, und kann den Genuss des Filmes durchaus schaden (wir erinnern uns an die Frau, die das Kino verklagt hat, weil Drive als Actionfilm vermarktet worden war). Dabei hat Maggie so viel zu bieten: Es ist ein irrsinnig origineller Film des Zombie-Genres, ein Familiendrama, das im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Tolle Bilder und eine emotional geladene Handlung. Und er hat neben einer ausgezeichneten Abigail Breslin die wohl beste Performance von Arnold Schwarzenegger überhaupt. Dem Erstlingsregisseur Henry Hobson gebührt ein großes Lob für diese Arbeit.

Maggie

USA 2015, Regie: Henry Hobson
Drama, Horror, USK 18
Splendid Film
Länge: ca 95 min
Erscheint: 28.8.2015

 

*Ich möchte darauf hinweisen, dass Schwarzeneggers Verdienste für die Filmlandschaft auf dem DVD-Cover mit The Last Stand und The Expendables zusammengefasst wurde!

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