Schmetterlingseffekt – Life is Strange

Ein Sturm wird kommen - das weiß der Spieler von Life is Strange zum Glück aber schon seit Episode 1. (Screenshot: Square Enix)
Ein Sturm wird kommen – das weiß der/die SpielerIn von Life is Strange zum Glück aber schon seit Episode 1. (Screenshot: Square Enix)

Alles hat ein Ende, auch das Indie-Darling Life is Strange. Dass das leider nicht so gut ist wie erhofft, tut dem Rest der Serie zum Glück keinen Abbruch.

Hach ja, die Schulzeit. Damals war sowieso alles besser, oder? Die Frühlinge waren noch voller Möglichkeiten und wer hier keine blauen Haare hatte, würde sie nie wieder haben. Selbst die Prüfungen und der Notendruck werden in honigfarbenes Gold getaucht, wenn man sich ein paar Jahre, oder Jahrzehnte später zurückerinnert. Clever also, dass das französische Entwicklerstudio Dontnod  Anfang des Jahres bei der ersten Folge seines Adventure-Games Life is Strange voll auf dieses Nostalgie-Gefühl setzte. Der/die SpielerIn sollte an der Seite der 18-jährigen Fotografie-Studentin Max Caufield nicht in einem riesigen Hollywood-Film die Hauptrolle spielen, sondern in einem Independent-Film voller Gitarrenfolk-Songs, schräger Charaktere und Polaroid-Kameras.

Ein Anfang voller Nostalgie

Das Abenteuer von Max Caufield, ihrer beste Freundin Chloe, die sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat, und die verschwundene Rachel Amber entfaltete sich langsam, damit die SpielerInnen genug Zeit hatten, alle Charaktere und Orte kennenzulernen, die ihnen in den nächsten fünf Episoden begegnen. Charaktere wurden in einem Nebensatz erwähnt und als Max mitten im Spiel meinte, dass sie demnächst unbedingt mal wieder Burger essen gehen muss, ist klar, dass man diesen Ort wohl irgendwann zu Gesicht bekommen würde. Ein warmes, trauriges Gefühl umwehte das Spiel, das jeder hat, der nach langer Zeit wieder an seinen Heimatort zurückkommt.

Denn genau das macht auch Max. Nach fünf Jahren im fernen Seattle kehrt sie in ihre Heimatstadt Arcadia Bay zurück und sieht, wie ihre ehemals beste Freundin vor ihren Augen stirbt – und auf einmal kann Max die Zeit zurückdrehen und Chloe retten. Doch dann stellt sich heraus, dass es eben genau diese Chloe war, die ganz Arcadia Bay mit den Vermisstenpostern von Rachel Ambers zupflasterte. Und dann – dann verlässt Life is Strange Stück für Stück die warme Nostalgie und taucht ein in eine Welt, die mehr an Twin Peaks, als an Wunderbare Jahre erinnert. Max stellt fest, dass ihre Zeitreise-Kräfte nicht nur Gutes bewirken, und ein Sturm kündigt sich an, der ganz Arcadia Bay vernichten könnte. Themen wie Mobbing, Selbstmord, soziale Ungerechtigkeit, Drogensucht, Umweltzerstörung und wie viel eine Freundschaft aushält, die seit fünf Jahren nicht mehr gepflegt wurde, tauchen auf. Und so ganz nebenbei findet Max heraus, dass in ein paar Tagen vielleicht die Welt enden könnte und Rachel Ambers Verschwinden etwas mit ihrer Schule zu tun haben könnte. Heftige Themen, die die MacherInnen aber gekonnt und emotional in Szene setzen. Noch besser –  die SpielerInnen können mit ihren Entscheidungen Leben retten oder zerstören, und man spürt tatsächlich die Auswirkungen, die sie haben. Das vielleicht überkommene Symbol, um diese Auswirkungen zu zeigen: ein Schmetterling, der mit seinen Flügeln schlägt. Dieser Schmetterlingseffekt ist durch das ganze Spiel zu spüren.

Ganz unbeschadet übersteht auch Max das Zeitreisen nicht. (Screenshot: Square Enix)
Ganz unbeschadet übersteht auch Max das Zeitreisen nicht. (Screenshot: Square Enix)

Clever dient die Zeitreisemechanik dabei auch als Weg, zumindest die kurzfristigen Auswirkungen der Entscheidungen abzuschätzen. Nicht, dass das groß dabei hilft, vorauszusehen, was beispielsweise der Umstand, dass man seine Zimmerpflanze zweimal gegossen hat, für Auswirkungen hat. Zumindest in den ersten Episoden. Je weiter Life is Strange voranschreitet, desto linearer wird die Geschichte von Max – und umso düsterer, was man vor allem an den Enden sehen kann. Das Ende von Episode 2 bricht dem/der SpielerIn das Herz. Das Ende von Episode 3 stellt alles in Frage, was man bisher weiß, und das Ende von Episode 4 ist ein Schlag in die Magengrube. Und Episode 5…?

Die A-B-Entscheidung

Das Ende von Episode 5 spielt sich ein wenig wie Mass Effect 3: Egal, wie viele Entscheidungen man gefällt hat und wie viel sie einem bedeutet haben, egal wie gut der Soundtrack und die Charaktere waren, am Ende geht es genau um eine einzige Entscheidung. Und damit scheinen nicht einmal die EntwicklerInnen von Dontnod selbst zufrieden zu sein. Über Twitter ließen sie anklingen, dass man mehr geplant hatte, aber schlichtweg das Geld ausgegangen sei. So stellt sich ein bekanntes Gefühl ein – nach einer aufreibenden und spannenden Fahrt ist das Ende der Reise nicht der versprochene Fünffachlooping, sondern ein einfacher Überschlag. Der Schmetterling, der für Stürme und tote Wale gesorgt hat, schafft es am Ende dann leider doch nur zu einer simplen A-B-Entscheidung. Aber zum Glück zu einer, die es in sich hat. Denn seit Episode 5 erschienen ist, diskutieren die Fans pausenlos über das Ende und seine Implikationen.

Vor allem zeigt das Ende von Life is Strange drei Dinge: 1. Gerade Spieledesigner können selten die Erwartungen erfüllen, die ihre Fans an das Ende stellen. 2. Manchmal ist die Reise viel mehr wert als die Ankunft. 3. Auch, wenn das Spiel am Ende etwas versuppt, bleibt Life is Strange eine der interessantesten Erscheinungen in diesem Jahr. Dontnod hat etwas geschaffen, was nur wenige EntwicklerInnen kreieren – ein Spiel mit Tiefgang, das unter die Haut geht und das auch nach dem Ende bei den SpielerInnen bleibt.

Life is Strange
PC und alle gängigen Konsolen
Dontnod
Square Enix

 

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